Er gilt als größter Steuerskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte: Mit Cum-Ex-Geschäften haben Investoren jahrelang den Fiskus betrogen. Nun kommt mit Hanno Berger eine treibende Kraft in der Affäre ein zweites Mal vor Gericht.
Im milliardenschweren Steuerskandal um Cum-Ex-Aktiengeschäfte beginnt ein zweiter Prozess gegen die Schlüsselfigur Hanno Berger: Der Steueranwalt muss sich ab diesem Donnerstag auch vor dem Landgericht (LG) Wiesbaden verantworten. Seit April steht Berger bereits in Bonn vor Gericht. Die beiden Verfahren laufen getrennt, weil sich die beteiligten Staatsanwaltschaften nicht darauf verständigen konnten, ihre Anklagen zu einem Gesamtverfahren zusammenzuführen.
Der erste Verhandlungstag in Wiesbaden war zunächst für den 12. April terminiert. Das LG gab jedoch am 5. April bekannt, dass der Auftakt verschoben wird. Hintergrund der Verzögerung ist, dass sich die Pflichtverteidiger erst weiter in die umfangreichen Akten einarbeiten mussten. In dem Verfahren gegen den 71-Jährigen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung sind Verhandlungstermine bis in den August angesetzt (Az. 6 KLs - 1111 Js 18753/21).
Berger, ein früherer Finanzbeamter, gilt als Architekt der Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland, bei dem sich Banken und andere Investoren nie gezahlte Steuern erstatten ließen und so den Staat um geschätzt einen zweistelligen Milliardenbetrag prellten. Berger beriet Banken und vermögende Investoren bei der Konstruktion der Aktiendeals. Er hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und argumentiert, es habe sich um ein rechtlich zulässiges Steuersparmodell gehandelt. Das Ausnutzen der seinerzeit bestehenden Gesetzeslücke sieht Berger als legitim an.
Anklageschrift umfasst 948 Seiten
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wirft Berger in der 948 Seiten langen Anklageschrift vor, in den Jahren 2006 bis 2008 bei Aktiengeschäften Bescheinigungen über gut 113 Millionen Euro nie gezahlter Steuern erlangt zu haben. Dabei seien gemeinsam mit früheren Beschäftigten der Hypo-Vereinsbank Dax-Aktien im Volumen von 15,8 Milliarden Euro über ein komplexes System gehandelt worden. Die Gewinne wurden unter den Beteiligten aufgeteilt.
In den Cum-Ex-Skandal sind viele Banken verwickelt. Dabei schoben Investoren Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch rund um den Dividendenstichtag hin und her. Ziel des Verwirrspiels war die Erstattung von Kapitalertragssteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Erst 2012 wurde die Gesetzeslücke geschlossen. Lange war unklar, ob solche Aktiengeschäfte strafbar sind. Im Juli 2021 entschied dann der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten sind (Urt. v. 28.07.2021, Az. 1 StR 519/20).
Berger war Ende Februar auf Betreiben der Justiz in Hessen und Nordrhein-Westfalen aus der Schweiz nach Deutschland ausgeliefert worden. Er hätte schon im März vergangenen Jahres bei einem Cum-Ex-Prozess am Landgericht Wiesbaden erscheinen sollen, blieb aber fern. Das Gericht entschied sich daraufhin für eine Abtrennung des Verfahrens gegen ihn.
sts/LTO-Redaktion
mit Material der dpa
Weiteres Gerichtsverfahren zu Cum-Ex-Geschäften: . In: Legal Tribune Online, 02.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48632 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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