Das Bundesinnenministerium hat das rechtsextreme Compact-Magazin verboten und aufgelöst. Dagegen wehrt sich die Gesellschaft nun beim Bundesverwaltungsgericht. Der Fall könnte bald weitere Gerichte beschäftigen.
Um die Auflösung der Compact-Magazin GmbH und die Einziehung ihrer Vermögenswerte zu stoppen, hat die Gesellschaft Eilantrag und Klage beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eingereicht. Das bestätigte das Gericht auf LTO-Anfrage am Donnerstag. Laut einem Sprecher gingen Klage (Az. 6 A 4.24) und Eilantrag (Az. 6 VR 1.24) am Mittwochabend beim Gericht ein.
Die Compact-Magazin GmbH klagt damit gegen das Vereinsverbot, das das Bundesinnenministerium (BMI) auch gegen die Conspect Film GmbH erlassen hatte. Mit der Klage in der Hauptsache soll das Vereinsverbot aufgehoben werden. Um in der Zwischenzeit einen Vollzug des Verbots zu verhindern, ist ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingereicht worden. Laut Verbotsverfügung ist das Verbot nämlich sofort vollziehbar. Um diese Wirkung aufzuheben, braucht es einen erfolgreichen Eilantrag.
Was passiert mit Mitarbeitern, Gegenständen und Vermögen von Compact?
Das Magazin darf seit dem Verbot nicht mehr erscheinen. Seine Webseiten wurden gesperrt. Die Verträge von Mitarbeitern sind de facto aufgelöst, denn ihr Arbeitgeber darf nicht mehr existieren.
In dem Eilverfahren vor Gericht wird Compact wohl argumentieren, dass durch das Verbot sein laufender Betrieb als Medium beendet wurde und seitdem die Zeit gegen das Medium läuft: Kontakte können nicht gepflegt werden, Abonnenten und Leser könnten sich abwenden, Mitarbeiter sich zwischenzeitlich einen anderen Job suchen. Das könnte dafür sprechen, den Verbotsvollzug einstweilig auszusetzen. Bis zu einer Eilentscheidung dürfte es in so einer komplexen Angelegenheit Wochen bis Monate dauern.
Besonderer Knackpunkt spätestens im Klageverfahren, das eher Jahre dauern dürfte, wird sein, wie die Leipziger Richter die Bedeutung der Pressefreiheit gegenüber dem Totalverbot von Compact bewerten.
Alles in allem also viel Arbeit für die Anwälte des Magazins. Die ersten Schriftsätze wurden nach Informationen von LTO von einem mehr als zehnköpfigen Anwaltsteam über das vergangene Wochenende vorbereitet. Der Berliner Rechtsanwalt Laurens Nothdurft, der die Schriftsätze beim BVerwG eingereicht hat, wollte gegenüber LTO mit Verweis auf den frühen Zeitpunkt der Einreichung bei Gericht zunächst noch keine Auskunft geben.
Rechtsextreme Presse oder Propagandaorgan?
Das BMI stützt das Verbot darauf, dass sich das Magazin mit seinen Publikationen gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, was nach Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 Vereinsgesetz (VereinsG) ein Vereinsverbot ermöglicht. Dabei nehme die Organisation "eine aggressiv-kämpferische Haltung" ein, wie es die Rechtsprechung zusätzlich erfordert. Laut BMI-Mitteilung steht zu befürchten, dass Leser und Zuschauer der Medienprodukte von Compact durch die Publikationen, die auch "offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden".
Im aktuellen Verfassungsschutzbericht wird eine Aussage von Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer auf der Homepage des Magazins vom Juni 2023 zitiert: "Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes." Es dürften solche Aussagen sein, mit denen Faeser die “aggressiv-kämpferische Haltung” gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung zu belegen sucht.
Auf LTO-Anfrage stellte das Ministerium klar, dass es sich "bei den betreffenden verfassungsfeindlichen Handlungen und Äußerungen nicht nur um vereinzelte Entgleisungen oder Ausrutscher" handle. Vielmehr werde der Verein "nach seinem Gesamtbild, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt, von einer die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnenden verfassungsfeindlichen Grundtendenz beherrscht, die seinen Charakter prägt".
Das BMI verweist zudem auf ein Urteil des BVerwG vom 26. Januar 2022 (Az. 6 A 7.19). Hier hielten die Leipziger Richter ein Verbot einer auch mit Medieninhalten auftretenden Teilorganisation der in Deutschland seit 1993 verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK aufrecht. Das BMI stützt sich auf eine Passage aus Randnummer 101 des Urteils, wonach "Meinungs- und Pressefreiheit dort zurückzutreten haben, wo sie ausschließlich der Verwirklichung verbotswidriger Vereinszwecke dienen". Das BMI steht also offenbar auf dem Standpunkt, bei Compact handele es sich schon gar nicht um ein journalistisches Medium, sondern ausschließlich um eine Organisation, die Propaganda betreibt, um einen Umsturz zu begünstigen. Die Frage, wie sehr die beiden Fälle des PKK-Mediums und Compact vergleichbar sind, wird die Leipziger Richter wohl ebenfalls beschäftigen.
Weitere Verfahren vor den Verwaltungsgerichten?
Bei Durchsuchungen in mehreren Bundesländern wurden unter anderem Datenträger und Exemplare des Magazins beschlagnahmt. Dabei dienten die Ermittlungen zum einen der Beschaffung neuer Erkenntnisse und Beweise für das Verbot selbst (§ 4 Vereinsgesetz), zum anderen der Beschlagnahme der Vereinsgegenstände und seinem Vermögen (§ 3 und § 10 Vereinsgesetz). Die Werte sind zunächst "eingefroren". Sobald das Verbot unanfechtbar geworden ist (also nicht mehr gerichtlich angreifbar), fällt das Vermögen an den Bund bzw. das Land. Bis dahin betreut eine Abteilung des Bundesverwaltungsamts das Vermögen bzw. sammelt auch Forderungen, die gegen die Gesellschaft aufkommen.
Das Vereinsrecht weist in dem Verbotsverfahren einige Besonderheiten auf. So entscheidet über Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Verbot nach § 4 Vereinsgesetz ein Verwaltungsgericht und nicht ein Amtsgericht wie üblich bei strafrechtlichen Ermittlungen. Für die Durchsuchungen und Beschlagnahmen zum Compact-Verbot ist das Verwaltungsgericht Potsdam örtlich zuständig. Dessen Pressesprecher bestätigte auf LTO-Anfrage die Zuständigkeit für die Maßnahmen, wollte aber keine weiteren Auskünfte erteilen. Wollen sich die Compact-Gesellschaften gegen diese Maßnahmen wehren, müssten sie dazu Rechtsmitteln bei den zuständigen Verwaltungsgerichten vor Ort einlegen.
Das BVerwG ist für Klagen gegen bundesweite Vereinsverboten als erste und damit zugleich letzte Instanz zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Gibt das BVerwG dem BMI Recht, könnte der Verein nur noch Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erheben. Der Verein bzw. seine Vertreter müssten dazu darlegen, dass Compact durch die Entscheidung des BVerwG in Grundrechten verletzt worden ist.
Nach Vereinsverbot durchs BMI: . In: Legal Tribune Online, 25.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55023 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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