Die EU-Kommission will gegen Kinderpornografie vorgehen. Das Ziel ist gut, die Umsetzung umstritten. Kritiker befürchten Massenüberwachung und kündigten Gegenstimmen an. Deshalb wurde die Abstimmung am Donnerstag vertagt.
Die EU-Kommission will schon lange mit einem Vorschlag für eine sogenannte Chatkontrolle gegen Kinderpornografie vorgehen. Genauso lange steht dieser Vorschlag zur massenhaften Durchsuchung von privater Kommunikation und von Clouddiensten in der Kritik.
Auch die deutsche Bundesregierung sträubt sich gegen diese Pläne zu neuen Regeln für die Durchsuchung von Internetdiensten. Die Verhandlungen zwischen den EU-Staaten über die umstrittene Chatkontrolle sind nun unter anderem wegen der deutschen Bedenken vorerst gescheitert. Eine Abstimmung im Rat, die am Donnerstag angesetzt war, wurde vertragt. Es habe sich abgezeichnet, dass keine ausreichende Mehrheit erreicht werden würde, hieß es am Donnerstag von der belgischen Ratspräsidentschaft. Der Vorsitz beschloss daher, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen.
Grundlage für die Pläne ist ein Vorschlag der EU-Kommission, wonach Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können, ihre Dienste mithilfe von Software nach Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu durchsuchen. Dieser war bereits mit Kompromissvorschlägen angepasst worden. Kritiker sprachen jedoch immer wieder von einer "Chatkontrolle" und fürchten Massenüberwachung. Denn nach dem Vorschlag der Kommission sollten sowohl Chatnachrichten als auch Cloud-Daten in verschlüsselter und nicht-verschlüsselter Form durchsucht werden können.
Mehr Überzeugungsarbeit für Chatkontrolle nötig
Die belgische Ratspräsidentschaft hatte den Vorschlag der EU-Kommission unterstützt und die Abstimmung vorangetrieben. Ab Juli wird die Präsidentschaft jedoch auf Ungarn übergehen. Ungarn muss dann bei seiner bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft erneut versuchen, eine Einigung zwischen den EU-Staaten zu erzielen. Über den endgültigen Gesetzestext müssten die Länder dann noch mit Parlament und Kommission verhandeln, bevor die neuen Regeln in Kraft treten könnten.
Doch der Widerstand ist groß. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte am Donnerstag nach der geplatzten Abstimmung an: "Anlassloses und massenhaftes Scannen – selbst verschlüsselter – privater Kommunikation und von Daten in der Cloud ohne konkreten Tatverdacht sind unverhältnismäßig. Wir bleiben weiter am Ball, damit die Chatkontrolle nicht kommen wird!"
Buschmann wertete die vertagte Abstimmung als Erfolg der Bundesregierung: "Unsere Bemühungen haben Wirkung gezeigt: Einmal mehr hat sich keine ausreichende Mehrheit der Mitgliedstaaten für die Chatkontrolle gefunden. Dafür habe ich mich bis zuletzt eingesetzt und freue mich, dass meine rechtsstaatlichen Bedenken auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Ich bin froh, dass wir hier als Bundesregierung mit einer Stimme sprechen", so der FDP-Politiker.
Auch das Bundesinnenministerium hatte Widerstand angekündigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Mittwoch erklärt, Deutschland werde gegen den Vorschlag der Kommission in seiner jetzigen Form stimmen. Auch 36 Politikerinnen und Politiker aus Europa hatten noch Anfang der Woche in einem offenen Brief an die EU-Mitgliedstaaten appelliert, gegen die Pläne zu stimmen. Man sei davon überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen mit den europäischen Grundrechten unvereinbar seien, hieß es in dem Papier. Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören unter anderem die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sowie Konstantin von Notz von den Grünen.
dpa/mka/LTO-Redaktion
Rat der EU: . In: Legal Tribune Online, 20.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54823 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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