Eine auf einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung beruhende Flüchtlingsanerkennung kann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zurückgenommen werden, wenn das Gericht über zentrale Elemente des Flüchtlingsschicksals getäuscht worden ist. Dies entschieden die Leipziger Verwaltungsrichter am Dienstag.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) durften die Flüchtlingsanerkennungen zurückgenommen werden, da sie auf Grund unrichtiger Angaben ausgesprochen worden waren. Dieser Beendigungstatbestand sei auch im Flüchtlingsrecht der EU vorgesehen. Die Rechtskraft des zur Flüchtlingsanerkennung führenden Gerichtsurteils stehe hier nicht entgegen, weil ein Fall des Urteilsmissbrauchs vorliege.
Der Gedanke der unzulässigen Rechtsausübung, der im Gesetz unter anderem in § 826 Bürgerliches gesetzbuch (BGB) Ausdruck gefunden hat, sei als Verbot des Urteilsmissbrauchs auch im Verwaltungsprozessrecht anerkannt. Die Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils ist danach ausnahmsweise möglich, wenn das Urteil sachlich unrichtig ist, der Betroffene die Unrichtigkeit kennt und besondere Umstände die Ausnutzung des Urteils als sittenwidrig erscheinen lassen.
Asylanten waren nie verfolgt worden
Solche Umstände seien im Flüchtlingsrecht jedenfalls dann gegeben, wenn das Gericht über den Kern des Verfolgungsschicksals gezielt getäuscht wurde, insbesondere über die Identität und die Staatsangehörigkeit der Asylbewerber sowie die Akteure, von denen Verfolgung droht. Eine solche Täuschung über zentrale, die Anerkennung tragende Punkte bejahte der Senat im vorliegenden Fall auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen und bestätigte die Rücknahme der Flüchtlingsanerkennungen (Urt. v. 19.11.2013, Az. 10 C 27.12).
Geklagt hatten eine Mutter und ihre beiden Söhne. Sie hatten unter falschen Namen Asylanträge gestellt und dabei wahrheitswidrig behauptet, sie seien syrisch-orthodoxe Christen aus der Türkei und dort verfolgt worden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die Asylanträge ab, wurde aber durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Münster verpflichtet, die Kläger als Flüchtlinge anzuerkennen. Zehn Jahre später stellte sich heraus, dass die Kläger armenische Staatsangehörige sind, nie in der Türkei gelebt haben und auch in Armenien nicht verfolgt worden sind. Daraufhin hob das Bundesamt die Flüchtlingsanerkennungen auf. Das VG bestätigte diese Entscheidung. Das Oberverwaltungsgericht hatte den Klagen hingegen stattgegeben.
tko/LTO-Redaktion
BVerwG zu Täuschung bei Asylverfahren: . In: Legal Tribune Online, 19.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10090 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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