Das BVerwG hat am Dienstag entschieden, dass maßgebliche Grundlage für die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion die Anordnung des Bundesministeriums des Innern und die darauf gestützte Verwaltungspraxis ist. Allein die Abstammung von einem jüdischen Großelternteil reicht für eine Aufnahme nicht aus.
Der Entscheidung liegt der Fall einer moldawischen Familie zugrunde, die von Moldawien aus die Erteilung einer Aufnahmezusage begehrt, um nach Deutschland einreisen zu können. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte die Anträge ab, weil die Kläger - in Anknüpfung an das Nationalitätenrecht in der ehemaligen Sowjetunion - nicht durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen hätten, dass sie selbst jüdischer Nationalität seien oder von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammten.
Die hiergegen erhobenen Klagen hatten beim Verwaltungsgericht Ansbach keinen Erfolg. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die beklagte Bundesrepublik hingegen zur Neubescheidung verpflichtet.
Bayerischer VGH: Jüdische Nationalität nicht entscheidend
Er hat seine Entscheidung damit begründet, dass der klagende Familienvater nach der Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 dem Kreis der Zuwanderungsberechtigten angehöre, da er durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden seine Abstammung von einer jüdischen Großmutter nachgewiesen habe. Die Anordnung, die in der Gestalt einer veröffentlichten Verwaltungsvorschrift erlassen wurde, habe den Charakter einer Rechtsnorm und gewähre einen Anspruch auf Einhaltung des darin Zugesagten. Nach der Anordnung genüge die Abstammung von einem jüdischen Elternteil. Diese Regelung sei dahin auszulegen, dass es nicht auf die jüdische Nationalität eines Elternteils ankomme, sondern dessen jüdische Abstammung genüge.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sieht das anders. Die obersten Verwaltungsrichter haben auf die Revision der Bundesrepublik das Berufungsurteil aufgehoben und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt (Urt. v. 15.11.2011, Az. 1 C 21.10). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könnten die Kläger unmittelbar aus der Anordnung des Bundesministeriums des Innern keinen Anspruch herleiten.
BVerwG stellt auf ständige Verwaltungspraxis ab
Nach der vom Gesetzgeber im Mai 2007 eingeführten Neuregelung in § 23 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz könne das Bundesministerium des Innern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass das Bundesamt bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Mache das Bundesministerium von dieser Befugnis Gebrauch, handele es sich um eine politische Leitentscheidung. Diese unterliege grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung.
Als verwaltungsinterne Weisung binde sie unmittelbar nur das Bundesamt bei der Ausübung seines Aufnahmeermessens. Außenwirkung komme ihr - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BVerwG zum Rechtscharakter vergleichbarer Verwaltungsanordnungen - nur mittelbar über die Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz zu, wenn und soweit sich eine Behördenpraxis tatsächlich herausgebildet hat.
Im vorliegenden Fall verletze die Ablehnung nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung. Denn nach ständiger Verwaltungspraxis des Bundesamts reiche allein eine Abstammung von einem jüdischen Großelternteil für eine Aufnahme nicht aus. Vielmehr müsse durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden entweder die eigene jüdische Nationalität oder die jüdische Nationalität eines Elternteils nachgewiesen werden. Diesen Nachweis hätten die Kläger nicht erbracht.
age/LTO-Redaktion
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BVerwG : . In: Legal Tribune Online, 16.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4814 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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