Auch ohne gesellschaftsvertragliche Verankerung kann der Rat einer Gemeinde gegenüber seinen Vertretern in einem fakultativ errichteten Aufsichtsrat einer mehrheitlich kommunalen GmbH weisungsbefugt sein. Dies entschied das BVerwG am Mittwoch.
Hintergrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist ein Verfahren, in dem einzelne Mitglieder des Stadtrates Siegen, die gleichzeitig auch Mitglieder im Aufsichtsrat der der Siegener Versorgungsbetriebe GmbH waren, sich unter anderem gegen Weisungen des Stadtrates bezüglich ihrer Aufsichtsratstätigkeit wendeten. Denn dies gefährde die freie, am Wohl der Gesellschaft orientierte Ausübung ihrer Aufsichtsratsmandate.
Die Stadt stützte sich bei der Annahme ihres Weisungsrechts auf § 113 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW). Demnach müssen die Vertreter der Gemeinde in Aufsichtsräten von juristischen Personen, an denen die Gemeinde unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, die Interessen der Gemeinde verfolgen und sind an die Beschlüsse des Rates und seiner Ausschüsse gebunden. Der seit dem Jahr 2005 andauernde Rechtsstreit wurde in allen Instanzen zu Gunsten der Kommune entschieden.
Auch das BVerwG bejahte nun eine Weisungsgebundenheit der kommunalen Vertreter. Das Weisungsrecht gemäß § 113 GO NRW stehe unter dem Vorbehalt, dass nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine solche andere gesetzliche Regelung sei § 52 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Danach sind auf einen fakultativen, lediglich nach dem Gesellschaftsvertrag zu bestellenden Aufsichtsrat verschiedene Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG) entsprechend anzuwenden, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. Hier hatte der Gesellschaftsvertrag die Anwendung der Vorschriften des AktG ausgeschlossen, das Weisungsrechts aber nicht ausdrücklich geregelt (Urt. v. 31.08.2011, Az. 8 C 16.10).
Bei der nach Ansicht der Leipziger Richter insoweit zur Klärung anzustellenden Vertragsauslegung sei zu berücksichtigen, dass die Gemeinde bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages im Zweifel die gesetzlichen Voraussetzungen einhalten wollte. Da sich die Gemeinde gemäß § 108 Abs. 5 Nr. 2 GO NRW nur dann an einer GmbH mit einem fakultativen Aufsichtsrat beteiligen darf, wenn durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages sichergestellt ist, dass der Rat seinen Mitgliedern des Aufsichtsrats Weisungen erteilen kann, sei davon auszugehen, dass die Gesellschafter auf die gewählte Art und Weise die kommunale Weisungsbefugnis im Gesellschaftsvertrag niederlegen wollten.
eso/LTO-Redaktion
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BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 01.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4180 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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