Die Schließung von Gastronomie- und Sportbetrieben durfte im Herbst 2020 auf die Generalklausel im IfSG gestützt werden, so das BVerwG. Für Amateursportanlagen und Fitnessstudios mussten aber dieselben Regeln gelten.
Drei Betriebe aus dem Saarland und Sachsen waren im Wege des Normenkontrollantrags gegen die Corona-Schutzverordnungen ihrer Länder vorgegangen. Die Regelungen, die insbesondere die Schließung der Betriebe vorsahen, hätten auf keiner ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied am Dienstag in diesen drei Fällen und urteilte: Die Bundesländer durften ihre Regeln zur Schließung von Gaststätten, Hotels und Sportanlagen auf das Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in der damaligen Fassung stützen. Die Generalklausel in § 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 32 S. 1 IfSG stellten eine taugliche Ermächtigungsgrundlage dar.
BVerwG: wegen der Dynamik der Pandemie hatte der Gesetzgeber einen Regelungsspielraum
Damit hob das BVerwG zwei Urteile des Oberverwaltungsgerichts (OVG) des Saarlandes aus dem vergangenen Jahr auf. Das war der Ansicht § 32 S. 1 und § 28 Abs. 1 S. 1 des IfSG hätten nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und des Parlamentsvorbehalts entsprochen. Das OVG hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass die zweite Corona-Welle schon im Sommer vorhersehbar gewesen sei und der Bundesgesetzgeber früher hätte tätig werden müssen. Die Ergänzung des Gesetzes um einen Beispielskatalog von Schutzmaßnamen (§ 28a IfSG) erfolgte erst im November 2020. Die Corona-Schutzverordnung vom Oktober 2020, die eine Schließung von Gastrobetrieben enthielt, sei daher unwirksam gewesen.
Das BVerwG hielt dagegen: Die Schließung von Gastronomiebetrieben habe auch unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht in der betroffenen Gaststätte eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 und S. 2 IfSG sein können. "Ob und unter welchen Voraussetzungen eine landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben angeordnet werden kann, ist eine wesentliche Frage, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeln muss", erklärte das BVerwG. Im Herbst 2020 habe die "Generalklausel" dafür noch ausgereicht. Wegen der dynamischen Entwicklung der Pandemie habe der Gesetzgeber einen Spielraum gehabt.
Dass das Land die Erfahrungen mit dem Erreger SARS-CoV-2 und der Dynamik des Pandemiegeschehens noch nicht für ausreichend hielt, um selbst konkreter zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Gastronomiebetriebe zur Bekämpfung von COVID-19 geschlossen werden dürfen, sei für den hier zu betrachtenden Zeitraum bis Mitte November nicht zu beanstanden, so das BVerwG. Die Fälle wurden zur erneuten Verhandlung an das OVG zurückverwiesen (Urt. v. 16.05.2023, Az. 3 CN 4.22 und Az. 3 CN 5.22).
Amateursport und Fitnessstudios hätten gleich behandelt werden müssen
Auch die Inhaberin eines Freizeit- und Amateursportbetriebs hatte mit ihrem Antrag gegen die Schutzverordnung des Landes Sachsen nur teilweise Erfolg. Die Schließung von Gastronomiebetrieben und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke waren nicht zu beanstanden, so das BVerwG.
Allerdings sei die sächsische Regelung, die eine Ausnahme für den Betrieb von Amateursportanlagen, nicht aber für Fitnessstudios vorsah, unvereinbar mit dem Gleichheitssatz gewesen (Urt. v. 16.05.2023, Az. 3 CN 6.22). Das Land hatte den Betrieb von Amateursporteinrichtungen verboten, es sei denn dass nur eine oder zwei Personen oder nur ein Hausstand Einzelsport trieben. Diese Ausnahme griff aber nicht für Fitnessstudios, deren Betrieb war abgesehen von medizinisch notwenidgen Behandlungen gänzlich untersagt. Die enstprechende Schließung von Fitnessstudios war daher unwirksam.
dpa/lmb/LTO-Redaktion
BVerwG entscheidet in drei Fällen zu Corona-Regelungen: . In: Legal Tribune Online, 16.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51788 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag