Mit der Treuhandverwaltung von zwei deutschen Töchtern des russischen Ölkonzerns Rosneft hatte der Bund juristisches Neuland betreten. Das BVerwG hat jetzt über die Rechtmäßigkeit des Vorgehens entschieden.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Treuhandverwaltung zweier deutscher Tochterfirmen des russischen Ölkonzerns Rosneft bestätigt. Die Anordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sei rechtmäßig gewesen, entschied das Gericht in Leipzig am Dienstag (Urt. v. 14.03.2023, Az. 8 A 2.22). Der Bund hatte im vorigen September mit der Treuhandverwaltung faktisch die Kontrolle über Rosneft Deutschland und RN Refining & Marketing übernommen. Die Unternehmen sind Mehrheitseigner der wichtigen PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt.
§ 17 Energiesicherungsgesetz (EnsiG) bestimmt, dass ein Unternehmen, das kritische Infrastrukturen im Energiebereich betreibt, unter Treuhandverwaltung gestellt werden kann. Voraussetzung ist, dass die konkrete Gefahr besteht, dass das Unternehmen ohne eine Treuhandverwaltung seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Das BMWK hatte auf dieser Grundlage hinsichtlich sämtlicher Stimmrechte aus den Geschäftsanteilen der Rosneft-Töchter die Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur angeordnet. Die Bundesnetzagentur ist so unter anderem berechtigt, Mitglieder der Geschäftsführung abzuberufen und neu zu bestellen sowie deren Geschäftsführung Weisungen zu erteilen.
Der russische Ölkonzern hatte im September des vergangenen Jahres beim BVerwG Klage gegen die Treuhandverwaltung erhoben. Das BVerwG hatte seit dem 22. Februar 2023 insgesamt vier Tage mündlich verhandelt und dabei ausgiebig Zeugen zur Situation bei den deutschen Rosneft-Töchtern im vergangenen Jahr befragt. Der Bund hatte die Treuhandverwaltung mit einer drohenden Gefahr für die Versorgungssicherheit in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine begründet.
Eventuelle Grundrechtseingriffe sind verhältnismäßig
Nach Darstellung des BMWK hatten die deutschen Tochterfirmen vor dem Hintergrund der Russland-Sanktionen im vorigen Sommer erhebliche Probleme. Banken und Versicherungen hätten die Zusammenarbeit aufgekündigt oder dies angedroht. Der russische Mutterkonzern habe Liquidität abziehen wollen. Zudem hätten die deutschen Firmen kein Interesse gezeigt, Alternativen zum russischen Öl aus der Druschba-Leitung zu suchen, das bei der PCK in Schwedt verarbeitet wurde. Zwei ehemalige Rosneft-Geschäftsführer hatten diese Schwierigkeiten in der Verhandlung weitgehend bestritten.
Das BVerwG hielt die Anordnung für rechtmäßig. Die dem Ministerium Mitte September 2022 bekannten und erkennbaren Umstände rechtfertigten laut Gericht die Prognose, dass die Rosneft Deutschland GmbH und die Rosneft Refining and Marketing GmbH ihren Versorgungsbeitrag im Fall einer Unterbrechung der russischen Rohöllieferung, auf die Versuche zum Kapitalabzug hindeuteten, nicht mehr leisten könnten. "Sie hatten für diesen Fall keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, obwohl das Klagevorbringen selbst eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer solchen Unterbrechung einräumt", heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.
Das BVerwG ließ offen, inwieweit Rosneft grundrechtsberechtigt ist. "Sollten Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG vorliegen, sind sie verhältnismäßig", hieß es. Auch die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG sei, falls betroffen, nicht verletzt. Die Anordnung stelle eine nicht entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums an den Gesellschaftsanteilen dar. Sie sei verhältnismäßig, weil sie wegen der überragenden Bedeutung des Gemeinwohlguts der Versorgungssicherheit von der Sozialbindung des Eigentums gedeckt sei. Redeker Sellner Dahs vertrat in dem Verfahren die Bundesrepublik Deutschland.
Mit der rechtlichen Konstruktion der staatlichen Treuhandverwaltung einer privatwirtschaftlichen Firma mit ausländischem Eigentümer hatte der Bund juristisches Neuland betreten. Die Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur sollte am 15. März auslaufen. Noch am Dienstag hat das BMWK aber angekündigt, die Treuhandverwaltung um sechs Monate zu verlängern.*
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
* Ergänzt am 14.03.2023, 15:50 Uhr/ 16.03.2023, 10:45 Uhr (Red.).
Klage des russischen Ölkonzerns erfolglos: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51309 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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