Patienten, die sich aufgrund einer schweren Krankheit das Leben nehmen möchten, können einen Anspruch auf tödliche Betäubungsmittel haben, sagte das BVerwG 2017. Aber auf Vorrat gibt es die nicht.
Nur wer wirklich schwer erkrankt ist, hat einen Anspruch darauf, vom Staat eine Erlaubnis zum Erwerb von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung zu erhalten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Dienstag bestätigt. Ein älteres Ehepaar hatte die Mittel auf Vorrat erwerben wollen, um nicht im Fall einer schweren Erkrankung ihr Lebensende in Leiden verbringen zu müssen. Ein solches Ansinnen genüge aber nicht, stellte der 3. Senat klar (Urt. v. 28.05.2019, Az. 3 C 6.17).
Das Ehepaar (geb. 1937 und 1944) hatte im Juni 2014 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital für eine gemeinsame Selbsttötung beantragt. Zwar ging es den beiden zum Zeitpunkt ihres Antrags gesundheitlich noch den Umständen entsprechend gut, doch wollten sie gewappnet sein für mögliche Erkrankungen, die sie mit fortschreitendem Alter auf sich zukommen sahen. Sie wollte nicht miterleben, wie körperliche und geistige Kräfte langsam nachließen, so ihre Begründung. Außerdem wollten sie den jeweils anderen nicht alleine zurücklassen.
Das BfArM lehnte den Antrag allerdings ab, weil man den Kauf von Medikamenten zum Suizid nicht erlauben könne. Natrium-Pentobarbital steht auf einer Liste von Betäubungsmitteln, deren Erwerb ohne ärztliche Verschreibung oder behördliche Erlaubnis verboten und eine Straftat ist. Die Behörde kann grundsätzlich eine Erlaubnis zum Erwerb von Medikamenten erteilen, allerdings nur, wenn dies nicht dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zuwiderläuft, "die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen" (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG).
Grundsatzurteil des BVerwG 2017 sorgte für Aufregung
Nach Ansicht des BfArM war dieser Fall aber beim Suizid gegeben. Ebenso sahen es die Instanzgerichte, welche die Klage der Eheleute abwiesen. Zwischenzeitlich allerdings fällte das BVerwG im März 2017 ein Grundsatzurteil in einer vergleichbaren Konstellation, nach dem Sterbewillige in Ausnahmefällen einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Erwerb des Barbiturats haben. Das Urteil sorgte für viel Aufsehen und wurde heftig kritisiert. Allerdings hat bis heute keiner der Antragsteller - bis Ende Februar dieses Jahres immerhin 123 - einen positiven Bescheid bekommen. Nicht zuletzt deshalb, weil das Bundesgesundheitsministerium die Freigabe seither blockiert.
Ein erneutes positives Urteil aus Leipzig hätte nun vielleicht Bewegung in die Angelegenheit bringen können, doch die Richter lehnten das Ansinnen des Ehepaars ab. Dazu mussten sie sich auch gar nicht in Widerspruch zu ihrer zwei Jahre alten Entscheidung setzen. Schon damals hatte der Senat betont, dass diese Möglichkeit eine absolute Ausnahme darstelle in Fällen, in denen die Sterbewilligen an einer schweren Erkrankung litten und ihre Leiden nicht anders - bspw. durch palliativmedizinische Maßnahmen - zu lindern seien.
Das Gericht betonte nun erneut, dass zum Erwerb grundsätzlich eine therapeutische Zielrichtung erforderlich sei, das Medikament also dazu dienen müsse, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern. Ein Ausnahmefall wie 2017 liege hier nicht vor, stellte der Senat - laut Pressemitteilung relativ knapp - fest. Den vorsorglichen Erwerb eines tödlichen Medikaments zum Suizid im Hinblick auf mögliche künftige Erkrankungen sahen die Richter nicht als tauglichen Grund für eine Erlaubnis an.
mam/LTO-Redaktion
BVerwG lehnt Antrag Sterbewilliger ab: . In: Legal Tribune Online, 28.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35641 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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