Die Ausländerbehörde kann jüdischen Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion zwar auferlegen, ihren Wohnsitz in einem bestimmten Bundesland zu nehmen; diese Auflage muss aber im Einzelfall verhältnismäßig sein. Dies entschied das BVerwG am Dienstag.
Ein älteres Ehepaar war Ende 1999 im Wege des Aufnahmeverfahrens aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Seitdem beziehen sie Sozialleistungen. Mittlerweile verfügen sie über eine humanitäre Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. Die Ausländerbehörde beschränkte ihr Recht zur Wohnsitznahme dabei zunächst auf den Landkreis Wittenberg, erweiterte dieses später auf das Land Sachsen-Anhalt. Die Eheleute wollten nun zu ihrer Tochter nach Baden-Württemberg umziehen und klagten daher gegen die Beschränkung.
Die Vorinstanzen gaben ihnen Recht. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebe ihnen ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit anerkannten Flüchtlingen. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention dürften diese keinen entsprechenden Auflagen unterworfen werden.
Nicht mit anerkannten Flüchtlingen zu vergleichen
In der Argumentation folgte der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) dem zwar nicht. Dennoch wies er die Revision zurück (Urt. v. 15.01.2013, Az. 1 C 7.12). Anders als anerkannte Flüchtlinge verfügten jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion über ein dauerhaftes, nicht von einem Verfolgungsschicksal abhängiges Aufenthaltsrecht. Insoweit könne kein Anspruch auf Gleichbehandlung nach der Genfer Konvention bestehen. Eher seien sie mit der Gruppe der Spätaussiedler zu vergleichen, die allerdings die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen.
Nach dem Aufenthaltsgesetz können die Behörden solche humanitären Niederlassungserlaubnisse mit einer Wohnsitzauflage versehen. Bei der Ausübung des Ermessens dürften sie nach Ansicht der Richter auf die einschlägigen Verwaltungsvorschriften zurückgreifen. Diese sehen zur angemessenen Lastenverteilung zwischen den Bundesländern Wohnsitzauflagen vor, solange die Zuwanderer Sozialleistungen beziehen. Die zuständige Ausländerbehörde müsse aber stets prüfen, ob die Maßnahme im konkreten Einzelfall verhältnismäßig sei. Maßgeblich seien dabei die Dauer der Beschränkung und die körperliche Verfassung der Zuwanderer.
So war das Ehepaar altersbedingt gar nicht mehr in der Lage, den Lebensunterhalt dauerhaft aus eigenen Kräften zu sichern. Zudem bestanden familiäre Anknüpfungspunkte außerhalb von Sachsen-Anhalt. Im konkreten Fall überwog daher nach Ansicht des Senats das persönliche Interesse des Ehepaars, ihren Lebensabend in der Nähe der Kinder zu verbringen.
blü/LTO-Redaktion
BVerwG zur Wohnsitzauflage: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7983 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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