Die Brauerei Beck klagt gegen die Erweiterung der Gewerbesteuer in Karlsruhe. Was den Fall für die Allgemeinheit interessant macht, ist, dass die Bierbrauer die Rückwirkung der Neuregelung bemängeln. Gibt es ein Grundsatzurteil?
Vor 15 Jahren hat der Gesetzgeber das Unternehmenssteuerrecht reformiert - ein kleiner Teil davon beschäftigt nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Am Montag verhandelten die Karlsruher Richter über eine Verfassungsbeschwerde der Bremer Brauerei Beck gegen eine Neuregelung zur Gewerbesteuer.
Für die klamme Hansestadt Bremen geht es dabei nach eigenen Angaben um 146 Millionen Euro. Interessant werden könnte das Urteil, das es erst in einigen Monaten geben wird, für Steuerzahler aber noch aus einem anderen Grund: Es geht auch um die rückwirkende Änderung von Steuergesetzen (Az. 1 BvR 1236/11).
Beck Brauerei sieht sich in ihren Gleichheitsrechten verletzt
In dem Verfahren wehrt sich die Brauerei Beck gegen § 7 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Demnach wird die Steuer seit dem Veranlagungszeitraum 2002 auch auf Gewinne aus bestimmten Veräußerungen von Anteilen an einer Personengesellschaft fällig.
Der Gesetzgeber wollte damit ein Schlupfloch schließen: Kapitalgesellschaften mussten zwar auch vorher Gewerbesteuer auf Gewinne aus dem Verkauf von Unternehmensanteilen zahlen. Über den Umweg einer Personengesellschaft konnten sie das jedoch vor der Neuregelung vermeiden.
Beck stört an der neuen Vorschrift insbesondere, dass die Gewerbesteuer nicht beim Verkauf durch eine Einzelperson anfällt. Im Fall der Brauerei hatten Kapital- und Personengesellschaften sowie eine Stiftung Anteile an einer GmbH & Co. KG veräußert. Sie sieht sich dadurch in ihren Gleichheitsrechten verletzt.
Bremen droht Rückzahlung in dreistelliger Millionenhöhe
Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Gemeindesteuer. Jede Kommune kann den sogenannten Hebesatz selbst festlegen, im Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen ist das ein zentraler Faktor. Sollte die Regelung für verfassungswidrig erklärt werden, müsste Bremen der Brauerei 146 Millionen Euro erstatten, sagte Finanzsenatorin Karoline Linnert bei der Verhandlung. Das entspräche der Hälfte der Finanzhilfen, die Bremen wegen seiner angespannten Haushaltslage von Bund und Ländern erhalte. Darüber hinaus blieb aber unklar, wie viel Geld die Kommunen über diese Vorschrift einnehmen. Statistisch wird das nicht erfasst.
Aber nicht nur für die beteiligten Parteien wird das Urteil der Verfassungsrichter interessant. Denn Karlsruhe könnte seine Rechtsprechung zur Rückwirkung von Steuergesetzen fortschreiben. Im Fall der Brauerei Beck fiel der Verkauf der Unternehmensanteile mitten in das laufende Gesetzgebungsverfahren. Der Kaufvertrag wurde noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen, aber nachdem die Regierung einen Entwurf an den Bundesrat weitergeleitet hatte. Fraglich ist also, wie lange man auf den Fortbestand der geltenden Steuergesetze vertrauen kann.
Gibt es eine Leitsatzentscheidung?
Die Karlsruher Richter sehen die Rückwirkung von Steuergesetzen eher kritisch. 2010 hatten sie Steuerzahler mit mehreren Entscheidungen besser vor rückwirkenden Änderungen geschützt. Allerdings betonten sie in einem der Beschlüsse auch: Bereits das bloße Einbringen eines Gesetzes in den Bundestag könne das Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Rechtslage schwächen. Es sei für Steuerzahler zumutbar, sich über ein laufendes Gesetzgebungsverfahren zu informieren.
Die Bundessteuerberaterkammer sieht das eher anders. In ihrer Stellungnahme zu dem aktuellen Verfahren vor dem Verfassungsgericht heißt es: "Ein laufendes Gesetzgebungsverfahren, im welchem sich vielfach noch Änderungen ergeben, darf den Vertrauensschutz der Bürger in das geltende Recht nicht erschüttern."
Und auch der Bund der Steuerzahler hielt es für wünschenswert, wenn Karlsruhe die rückwirkende Verschärfung von Steuergesetzen auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Minimum beschränkte.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
BVerfG verhandelt über die Gewerbesteuer: . In: Legal Tribune Online, 25.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24701 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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