Können Abgeordnete nachträglich einem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beitreten? Das war bisher nicht geregelt, weshalb das BVerfG nun entschieden hat: Die AfD darf nicht im Nachhinein mitmachen.
Mitglieder des Bundestags können zu einem bereits anhängigen Normenkontrollverfahren nicht einfach nachträglich beitreten. Sie dürfen sich nur anschließen, wenn die ursprünglichen Antragsteller des Normenkontrollverfahrens ihre Zustimmung dazu erteilen. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden und damit den entsprechenden Antrag von 30 Fraktionsmitgliedern der Alternative für Deutschland (AfD) im Bundestag abgelehnt (Beschl. v. 03.11.2020, Az. 2 BvF 2/18).
Die AfD-MdB wollten dem Normenkontrollantrag von 216 anderen Mitgliedern des Bundestags, die den Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, den Linken und der FDP angehören, beitreten beziehungsweise sich anschließen. Der Normenkontrollantrag wurde im September 2018 gestellt und richtet sich gegen Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 10. Juli 2018 (BGBl I S. 1116). Gegenstand ist die Erhöhung der absoluten Obergrenze staatlicher Parteienfinanzierung. Das Verfahren ist noch vor dem BVerfG anhängig.
Der Bundestag hatte im Juni 2018 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen beschlossen, dass alle Parteien zusammen jährlich 25 Millionen Euro mehr bekommen sollen. Das entsprach einer Aufstockung von 165 auf 190 Millionen Euro. Begründet wurde das vor allem mit neuen Anforderungen durch die Digitalisierung. Die Opposition fühlte sich überrumpelt und kritisierte das Vorgehen. Die Antragsteller der AfD-Fraktion wollen dabei keinen eigenen Prozessvertreter benennen, eigene Anträge stellen und eigene Rechtsausführungen machen. Stattdessen möchten sie dem Verfahren lediglich beitreten bzw. sich ihm anschließen.
Die Unzulässigkeit eines Beitritts zu einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle begründet das BVerfG zunächst damit, dass genau für dieses Verfahren im Bundesverfassungungsgerichtsgesetz (BVerfGG) keine gesetzliche Regelung für einen solchen zu finden sei. Für andere Verfahren sei dies jedoch der Fall. Auch eine analoge Anwendung sei wegen fehlender vergleichbarer Tatbestände nicht möglich. Des Weiteren sei gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 BVerfGG nicht ein beliebiger Teil, sondern nur ein Viertel der Mitglieder des Bundestags im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle antragsberechtigt. Auch hier sei eine Analogie, die den Kreis der Antragsberechtigten auf einzelne Bundestagsabgeordnete erweitert, nicht möglich.
Schutz vor ungewollter gemeinsamer Aktivität
Sollte das BVerfG den Beitritt nicht gestatten, hatten die AfD-Abgeordneten begehrt, sich immerhin unselbstständig an das Verfahren anschließen zu dürfen. Doch auch das lehnte das BVerfG mit der Begründung ab, dass dazu eine Zustimmung der Antragsteller des Normenkontrollverfahrens vorliegen müsse. Diese hatten die übrigen Oppositionsfraktionen aber nicht erteilt.
Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 BVerfGG würden ausdrücklich nennen, wer ein Normenkontrollverfahren beantragen darf, so die Karlsruher Richter weiter. Durch die geforderte gemeinsame Antragstellung würden die beteiligten Abgeordneten sodann als einheitlicher Antragsteller auftreten. Würden im Nachhinein Abgeordnete dazu kommen, dann würde sich die Zusammensetzung dieser Einheit ändern - und das sei "nicht gegen den Willen derjenigen zulässig, die ursprünglich eine Einheit gebildet haben".
Die Richter leiten dies aus dem freien Mandat des Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ab. Ein Abgeordneter müsse frei entscheiden können, mit wem er das erforderliche Quorum für die abstrakte Normenkontrolle bildet und mit wem er gemeinschaftlich auftreten möchte. Das freie Mandat schütze davor, in eine Gemeinsamkeit mit weiteren Abgeordneten gezwungen zu werden, mit denen er gemeinsame Aktivitäten ablehnt.
pdi/LTO-Redaktion
mit Material der dpa
BVerfG zum Normenkontrollantrag gegen Parteienfinanzierungsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43462 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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