Beim BVerfG geht es am Dienstag und Mittwoch um die Aufstockung der staatlichen Parteienfinanzierung. Verschiedene Oppositionsfraktionen hatten sich an das Gericht gewandt. Beide Verfahren werden gemeinsam verhandelt.
Bei der Verhandlung zur Parteienfinanzierung am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wird es in den nächsten Tagen aus Sicht von Experten vor allem um die Begründung für den Anstieg von fast 25 Millionen Euro gehen. Um diesen Betrag hatte der Bundestag 2018 mit Stimmen von Union und SPD die absolute Obergrenze für den staatlichen Anteil auf nunmehr 190 Millionen Euro aufgestockt.
§ 18 Abs. 2 S. 1 Parteiengesetz wurde insoweit geändert. Die Fraktionen der schwarz-roten Regierungsmehrheit argumentierten in erster Linie mit höheren Ausgaben durch die Digitalisierung, etwa für Datensicherheit, Moderation interaktiver Internetauftritte und Abwehr von Hackern.
Sicherheit kostet mehr als "ein paar Pfennig"
Dafür seien mehr Personal und mehr Technik nötig, sagte Prof. Dr. Michael Brenner von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena der dpa. Die Aufwendungen seien damals nach Hackerangriffen auf den Bundestag, Ausspähungen und mit Blick auf den US-Wahlkampf gestiegen. Daher erscheine eine Anhebung der Obergrenze einleuchtend. "Sicherheitsmaßnahmen sind nicht für ein paar Pfennig zu kriegen", sagte Brenner. "Das relativiert sich auch, wenn man es auf die einzelnen Parteien aufteilt." Im vergangenen Jahr bekamen 22 Parteien Geld – von der SPD bis zur Tierschutzallianz. Fraglich sei, ob dem höchsten deutschen Gericht die wenige Seiten lange Begründung der Gesetzesänderung ausführlich genug ist.
Eine Erhöhung soll es gemäß einer früheren Entscheidung aus Karlsruhe nur geben, wenn sich die "Verhältnisse einschneidend geändert haben", erläuterte Dr. Heike Merten, Geschäftsführerin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Universität Düsseldorf. Unter welchen Voraussetzungen von einer "einschneidenden Veränderung" auszugehen ist, sei eine Wertungsfrage, die an erster Stelle in den Händen des Gesetzgebers liege. "Der hat dabei sicherlich einen nicht unbeachtlichen Beurteilungsspielraum, aber eben auch die Pflicht, eine Wertung vorzunehmen und diese darzulegen und zu begründen", so Merten. "Daran könnte es hier durchaus mangeln."
Ob im laufenden Verfahren die Begründung für die erhebliche Anhebung ergänzt werden darf, bleibe abzuwarten. "Es gilt den Anschein der Selbstbedienung zu verhindern und so das Vertrauen in die demokratischen Institutionen zu stärken", machte Merten deutlich.
Opposition zog nach Karlsruhe
Die Opposition übte quer durch alle Fraktionen heftige Kritik an der Erhöhung der Obergrenze, zog aber nicht geschlossen nach Karlsruhe. 216 Abgeordnete von Grünen, Linke und FDP taten sich für einen Normenkontrollantrag zusammen (Az.: 2 BvF 2/18). Es wird hier insbesondere ein Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit von Parteien geltend gemacht, die in Art. 21 Abs. 1 Grundgesetz verankert ist.
Die AfD allein hat dafür nicht genügend Abgeordnete. Sie strengte parallel eine Organklage gegen den Deutschen Bundestag an (Az. 2 BvE 5/18). In diesem Rahmen machte die AfD-Fraktion geltend, durch den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens zu der Erhöhung der Parteienfinanzierung durch den Bundestag in ihren parlamentarischen Beteiligungsrechten verletzt zu sein. Sie rügt, man habe nicht ausreichend Zeit gehabt, um sich auf die Beratung des Gesetzes vorzubereiten und öffentlichen Druck zu organisieren.
Die Wissenschaftlerin Merten kommt zu dem Schluss, das Organstreitverfahren möge zwar durchaus zulässig sein. "Eine Verletzung organschaftlicher Beteiligungsrechte der AfD-Fraktion im Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens werden nach meiner Einschätzung hingegen nicht zu begründen sein", sagte sie.
Beide Verfahren werden am Dienstag und Mittwoch gemeinsam verhandelt. Wegen der ungewöhnlich großen Menge an beteiligten Personen hatte das Gericht zweimal schon angesetzte Termine wegen der Coronapandemie wieder abgesagt. Um Hygienevorgaben einhalten zu können, wird auch nicht im Gericht selbst verhandelt, sondern in einer großen Veranstaltungshalle auf dem Karlsruher Messegelände. Das Urteil wird erfahrungsgemäß erst mehrere Monate später verkündet.
dpa/ast/LTO-Redaktion
BVerfG verhandelt zur Parteienfinanzierung: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46299 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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