Die AfD sieht sich bei der kommenden Landtagswahl in Sachsen ganz vorn. Das Problem: Viele ihrer Kandidaten dürfen gar nicht antreten. Mit einer Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist die Partei nun in Karlsruhe gescheitert.
Rückschlag für Sachsens AfD: Im Streit um die gekappte Kandidatenliste für die Landtagswahl ist der Landesverband mit einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm den Antrag wegen unzureichenden Begründung nicht zur Entscheidung an, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Die AfD kann nun noch auf den sächsischen Verfassungsgerichtshof (VerfGH) hoffen, dort wird am Donnerstag verhandelt (Beschl. v. 18.07.2019, Az. 2 BvR 1301/19).
Nach einer Entscheidung des Landeswahlausschusses dürfen bei der Wahl am 1. September nur die ersten 18 Kandidaten auf der Liste antreten. Für die Plätze 19 bis 61 hatte das Gremium die Aufstellung am 5. Juli für ungültig erklärt. Beanstandet wurde, dass die AfD ihre Kandidaten bei zwei getrennten Parteitagen bestimmte und auch das anfangs beschlossene Wahlverfahren später änderte. Der Wahlausschuss verstand die beiden Landesparteitage im Februar und März deswegen nicht als einheitliche Aufstellungsversammlung. Damit sah er die notwendige Chancengleichheit der Bewerber nicht als gegeben. Die Wahlleiterin hatte darauf hingewiesen, dass Listen zwingend zurückzuweisen sind, wenn sie nicht den Anforderungen entsprechen. Die AfD sei außerdem rechtzeitig auf die Mängel hingewiesen worden.
AfD legt entscheidende Unterlagen nicht vor
Die rechtspopulistische Partei kann damit nur noch über Direktmandate in den 60 Wahlkreisen mit mehr Abgeordneten ins Parlament einziehen. Die AfD hatte von einem Komplott gesprochen, um sie als politischen Mitbewerber zu schwächen. Sie liefert sich derzeit in Umfragen mit der CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Position als stärkste Kraft. Die Besetzung des Wahlausschusses orientiert sich an den Ergebnissen der Parteien bei der vorangegangenen Landtagswahl.
Gegen die Entscheidung haben der AfD-Landesverband und acht betroffene Bewerber auch in Sachsen Verfassungsklage eingereicht. Vor der Wahl hat die AfD keine andere Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Nachträglich kann Einspruch beim Landtag eingereicht werden.
Die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe nahm das BVerfG aber nicht zur Entscheidung an. Dabei scheiterte die AfD bereits an der Sachverhaltsdarstellung. Das Gericht könne das Geschehen aber nicht nachvollziehen, wenn ihm weder Niederschriften der Parteitage, noch die Akten des Landeswahlausschusses vorgelegt würden, heißt es in dem Beschluss.
Und was ist mit der Landesverfassung?
Daneben vermisste das BVerfG auch einen Vortrag zu dem Verfahren, das zurzeit beim VerfGH Sachsen anhängig ist. Denn grundsätzlich gewährleisten die Länder ein eigenes Rechtsschutzverfahren bei politischen Wahlen zu ihren Parlamenten. So könne man in Karlsruhe aber nicht überprüfen, ob der Grundsatz der Subsidiarität aus § 90 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) beachtet worden sei oder eben nicht.
Abgesehen davon äußerten die Karlsruher Richter aber auch Bedenken an der Begründung der Verfassungsbeschwerde. Der Vortrag, dass eine Verletzung ihres Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 Grundgesetz (GG) "auf der Hand liege", war den Verfassungsrichtern zu dünn. Wegen der getrennten Verfassungsräume von Bund und Ländern hätte die AfD näher darauf eingehen müssen, ob die Landesverfassung einer Anwendung nicht entgegenstehe, so das BVerfG. Ähnliches bemängelten die Richter im Übrigen auch bei Art. 2 Abs. 1 GG. Hier habe der Landesverband gar nicht dargelegt, "inwieweit der Anwendungsbereich überhaupt betroffen sein soll".
Sächsische VerfGH entscheidet noch
Auch die gerügte Verletzung ihres Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Hier habe sich die AfD "nicht mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben auseinander gesetzt". In Wahlsachen werde die Effektivität des Rechtsschutzes nämlich den Landesverfassungsgerichten überlassen, die ihrerseits an Art. 19 Abs. 4 GG gebunden seien, heißt es in dem Beschluss. Zwar rege der Landesverband eine Änderung des nachträglichen Wahlprüfungsverfahrens an, so das BVerfG. Warum dies verfassungsrechtlich geboten sein solle, "lässt sich ihrem Vortrag nur unzureichend entnehmen."
Die sächsische AfD kann die Entscheidung des BVerfG dagegen nicht nachvollziehen. "Die Nichtbefassung ist für uns enttäuschend und nicht nachvollziehbar", erklärte Parteichef Jörg Urban in Dresden. "In anderen Bundesländern und auch auf Bundesebene ist der Rechtsweg gegen fragwürdige Entscheidungen der Wahlausschüsse möglich. In Sachsen ist ein effektiver Rechtsschutz nicht vorgesehen", betonte Urban. Auch Willkürentscheidungen des Wahlausschusses seien damit möglich: "Der Ball zum Schutz des Rechtsstaates und der Demokratie liegt nun im Feld des Sächsischen Verfassungsgerichts." Dort wird am Donnerstag verhandelt.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG zur Sachsen-Wahl: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36665 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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