BVerfG zu menschenverachtender Äußerung: Ras­sis­ti­sche Äuße­rung nicht durch Mei­nungs­f­rei­heit gerecht­fer­tigt

24.11.2020

Weil er einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah!" beleidigt hatte, wurde ein Betriebsratsmitglied gekündigt. Die Äußerung sei menschenverachtend, und nicht durch die Meinungsfreiheit zu rechtfertigen, so das BVerfG.*

Ein Mann, der einen dunkelhäutigen Kollegen in einer Betriebsratssitzung mit Affenlauten verhöhnt hat, hat zu Recht die Kündigung erhalten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die Verfassungsbeschwerde des Mannes gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu seiner Kündigung nicht zur Entscheidung an (Beschl. v. 02.11.2020, AZ. 1 BvR 2727/19). Der Beschwerdeführer, ein Betriebsratsmitglied, hatte einen dunkelhäutigen Kollegen im Rahmen einer kontrovers abgelaufenen Betriebsratssitzung mit den Worten "Ugah, Ugah!" betitelt, der ihn wiederum als "Stricher" bezeichnete.

Dafür erhielt er die außerordentliche Kündigung. Die Arbeitsgerichte erachteten diese aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung als rechtmäßig. Der Mann sah sich hingegen in seinem Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Die Arbeitsgerichte hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Man dürfe ihm keine rassistische Einstellung vorwerfen.

Das BVerfG hielt seine Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Begründung schon für unzulässig. Sie wäre aber auch unbegründet, hieß es. Die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen verletzen den Mann nicht in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. 

Keine Abwägung bei menschenverachtender Diskriminierung

"Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird", so das BVerfG in einer Mitteilung. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, sei laut BVerfG nicht zu beanstanden.

Das BVerfG rekurrierte auch in diesem Fall auf seine Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Meinungsfreiheit und Formalbeleidigung. So erfordere Art. 5 Abs. 1 GG im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit trete aber jedenfalls zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen.

Nach Auffassung des BVerfG hätten die Arbeitsgerichte ausführlich begründet, dass und warum es sich bei der Äußerung um eine menschenverachtende Diskriminierung handele. Danach werde die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert werde, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der "Rasse" verletzt werde. Diese Wertung sei ebenso wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geforderte Gesamtwürdigung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, hieß es.

acr/LTO-Redaktion

* Anm. d. Red. Formulierung präzisiert am 25.11.2020, 10.56 Uhr.

Zitiervorschlag

BVerfG zu menschenverachtender Äußerung: . In: Legal Tribune Online, 24.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43520 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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