Eine Zeitung veröffentlichte einen Text über einen der Männer hinter dem "Ibiza-Video". Der wiederum erstritt eine einstweilige Unterlassungsverfügung – ohne dass das Magazin angehört wurde. Das geht so nicht, stellte das BVerfG erneut klar.
Eine einstweilige Unterlassungsverfügung, die ohne gerichtliche Anhörung des Beklagten ergeht, verstößt gegen das grundrechtsgleiche Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Das entschied in einem nun veröffentlichten Beschluss das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 17.6.2020, Az. 1 BvR 1380/20).
Über ein Jahr ist die sogenannte Ibiza-Affäre jetzt her, die in Österreich für viel Aufruhr sorgte und schließlich zum Rücktritt des ehemaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache führte. Eine der Personen, die maßgeblich an der Veröffentlichung des Ibiza-Videos beteiligt waren, sieht sich nun einigen strafrechtlichen Verfahren unter anderem wegen Drogengeschäften größeren Umfanges ausgesetzt, bezeichnet diese aber als Rufmordkampagne durch Strache, der sich rächen wolle. Über diese Begebenheiten berichtete umfangreich eine deutsche Zeitung.
Der Mann erstritt daraufhin eine einstweilige Unterlassungsverfügung beim Landgericht Berlin, wonach die entsprechende Berichterstattung zu unterlassen sei. Die Zeitung wehrte sich ihrerseits dagegen. Ihr Argument: Sie sei nicht angehört worden. Letztlich wandte sich das Magazin mit einer Verfassungsbeschwerde und einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das BVerfG. Die Verfassungsrichter entschieden nun: Die Zeitung sei "offenkundig und bewusst in ihrer prozessualen Waffengleichheit verletzt worden".
Das BVerfG bestätigte damit die Rechtsauffassung der Zeitung. Durch die ohne Anhörung ergangene einstweilige Verfügung sei die Zeitung in ihrem grundrechtgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit verletzt worden. Indem sie nicht angehört wurde, sei die Gleichwertigkeit ihrer Stellung im Prozess gegenüber dem Verfahrensgegner nicht mehr gewährleistet gewesen. Zwar hatte die Zeitung vorher eine Abmahnung erhalten und war auf diese auch eingegangen. Die Tatsachengrundlage der gerichtlichen Verfügung war aber eine andere, so das BVerfG, da der Mann hier erstmals die im Artikel geschilderten Vorwürfe bestritt. Die Zeitung hätte vor Entscheidung durch das Berliner Gericht also erneut Gelegenheit zur Stellungnahme und Reaktion bekommen müssen, auch wenn die Zeit gedrängt habe. Dies gelte umso mehr, da die einstweilige Verfügung nicht einmal eine Begründung erhielt.
Das BVerfG setzte dementsprechend die einstweilige Verfügung vorläufig aus. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
ast/LTO-Redaktion
BVerfG erneut zur Waffengleichheit im Prozess: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42186 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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