Grundstückseigentümer dürfen nicht erst unbestimmte Zeit nach tatsächlicher Fertigstellung einer Straße mit Erschließungsbeiträgen belastet werden. Anderslautende Landesnormen verstoßen laut BVerfG gegen das Gebot der Belastungsklarheit.
Grundstückseigentümer dürfen nach der Fertigstellung einer Straße oder anderer Anlagen nur für begrenzte Zeit an den Baukosten beteiligt werden. Eine Landesvorschrift, die das nicht sicherstellt, verstößt gegen das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit am Mittwoch veröffentlichtem Beschluss entschieden. Die Richterinnen und Richter des Ersten Senats beanstandeten eine entsprechende Regelung im Landesrecht von Rheinland-Pfalz. Dort muss nun bis Ende Juli 2022 eine Neuregelung gefunden werden. (Beschl. v. 3.11.2021, Az. 1 BvL 1/19).
Dass die rheinland-pfälzische Vorschrift (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz (KAG RP)) überhaupt nach Karlsruhe gelangt ist, ist auf ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zurückzuführen. Dort ist der Fall eines Eigentümers anhängig, der sogenannte Erschließungsbeiträge in Höhe von mehr als 70.000 Euro zahlen soll. Seine Grundstücke in einem Gewerbegebiet hatten schon 1986 eine Straßenanbindung bekommen. In voller Länge fertiggestellt und offiziell gewidmet wurde die Straße aber erst 2007. Die von dem Grundstückseigentümer beanstandeten Beitragsbescheide, nach denen er zur Zahlung der Erschließungsbeiträge verpflichtet ist, stammen aus dem Jahr 2011.
Die rheinland-pfälzische Landesvorschrift sieht vor, dass die Frist zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen nicht an den Eintritt der tatsächlichen Vorteilslage anknüpft, sondern noch bis vier Jahre nach tatsächlicher Fertigstellung und Widmung erfolgen kann. Nach Auskunft des Eigentümerverbandes Haus & Grund sorgen ähnliche Probleme auch in anderen Bundesländern immer wieder für Streit, denn die tatsächliche Vorteilslage und die Beitragserhebung könnten - wie in dem vorliegenden Fall - zeitlich weit auseinander fallen.
Ob eine derartige Norm mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Gebot der Belastungsklarheit (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar ist, wollte das BVerwG nun vom BVerfG wissen.
Den Karlsruher Richterinnen und Richtern zufolge ist das nicht der Fall. Das Gebot der Belastungsklarheit verlange, dass Betroffene nicht dauerhaft im Unklaren gelassen werden, ob sie noch mit Belastungen rechnen müssen. Der Zeitpunkt, in dem der abzugeltende Vorteil entsteht, müsse daher für die Betroffenen objektiv erkennbar sein. Das bedeute, dass der Begriff der Vorteilslage an rein tatsächliche und eben nicht rechtliche Entstehungsvoraussetzungen für die Beitragsschuld anknüpfe. Die rheinland-pfälzische Landesvorschrift werde diesen Maßstäben nicht gerecht. Es sei nun Aufgabe des Gesetzgebers, eine entsprechende Verjährungsbestimmung zu gestalten.
pdi/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
Bundesverfassungsgericht zum Straßenbau: . In: Legal Tribune Online, 24.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46739 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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