Das 100-Milliarden-Euro-Programm zur besseren Ausrüstung der Bundeswehr ist beschlossene Sache. Der dazu erforderlichen Änderung des Grundgesetzes stimmt nach dem Bundestag nun auch der Bundesrat zu - und auch dem Pflegebonus.
Das Milliarden-Programm zur Aus- und Aufrüstung der Bundeswehr kann anlaufen. Nach dem Bundestag hat nun auch der Bundesrat die dazu notwendige Änderung des Grundgesetzes beschlossen. Damit dürfen unter Umgehung der Schuldenbremse Kredite von 100 Milliarden Euro aufgenommen werden, um die Streitkräfte besser auszurüsten. Die Länder votierten mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit für die Grundgesetzänderung. Nur Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, in denen die Linke an der Regierung beteiligt ist, enthielten sich. Der Bundesrat ließ anschließend auch das Gesetz für die Einrichtung des Sondervermögens passieren, aus dem die Finanzierung erfolgen soll.
In das Grundgesetz wird ein neuer Artikel 87a aufgenommen. Er regelt die Kreditaufnahme für das Sondervermögen an der Schuldenbremse vorbei. Mit dem Geld sollen in den kommenden Jahren neue Flugzeuge, Hubschrauber, Schiffe, Panzer und Munition angeschafft werden. Es geht aber auch um Ausrüstung wie Nachtsichtgeräte und Funkgeräte.
Einige Rüstungsprojekte sind schon angeschoben: Darunter ist der geplante Kauf von F-35-Tarnkappenflugzeugen sowie die Beschaffung von 60 schweren Transporthubschraubern des Modells CH-47F für den Lufttransport von Soldaten und Material.
Von einem "guten Tag für die Bundeswehr und die Sicherheit unseres Landes" sprach Bayerns Bundes- und Europaminister Florian Herrmann (CSU) als einziger Redner im Bundesrat. "Wir machen einen großen Schritt hin zu einer schlagkräftigen Bundeswehr, auf die wir uns auch angesichts der veränderten Bedrohungslage verlassen können." Dagegen erklärten die Linken-Vorsitzenden der Länder, die mit Enthaltung gestimmt hatten: "Die nunmehr beschlossenen zusätzlichen Ausgaben zur Aufrüstung der Bundeswehr werden weder das Sterben in der Ukraine beenden noch künftig für eine friedlichere und sichere Welt sorgen."
Die Bundesregierung reagiert damit auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Jahrelanges Sparen bei der Bundeswehr und deren Ausrichtung auf Auslandseinsätze haben dazu geführt, dass die Truppe heute erhebliche Defizite bei der Landes- und Bündnisverteidigung aufweist. Panzer, Flugzeuge und Schiffe sind teils veraltet oder nicht einsatzbereit. Das zeigt sich auch schmerzlich, wenn es um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine geht. Die Bundeswehr hat nach offizieller Darstellung kaum etwas, worauf sie verzichten und was sie abtreten kann.
10 Mbit/s-Mindestgeschwindigkeit für Internet
Außerdem hat der Bundesrat grünes Licht für ein schnelleres Internet in bislang unterversorgten Gebieten in Deutschland gegeben. Die Länderkammer stimmte am Freitag den Vorgaben der Bundesnetzagentur für eine Internetmindestversorgung in Deutschland zu. Die Verordnung besagt, dass künftig überall in Deutschland ein Download-Tempo von mindestens 10 Megabit pro Sekunde möglich sein muss. Für den Upload sollen es 1,7 Megabit pro Sekunde sein. Zudem darf die Reaktionszeit maximal 150 Millisekunden betragen.
"Die Bundesnetzagentur wird mit dieser Verordnung in die Lage versetzt, diesen Anspruch auf eine Mindestversorgung dann auch durchzusetzen", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, Daniela Kluckert (FDP). Sie verwies auf eine Protokollerklärung, in der die Bundesregierung zuvor eine Erhöhung der Mindestgeschwindigkeit auf 15 Mbit/s in Aussicht gestellt hatte. In einer begleitenden Entschließung kritisierte allerdings der Bundesrat, dass die Verordnung den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an "schnelles Internet" nicht gerecht werde. Zuvor hatten vor allem Bayern und Niedersachsen das Mindesttempo in der Verordnung als "nicht mehr zeitgemäß" kritisiert. In der Erklärung der Länderkammer heißt es nun, zur gleichberechtigten Teilhabe am digitalen Leben sei es unabdingbar, dass jedem Haushalt in Deutschland die bestmögliche Versorgung zuteil werde - auch im ländlichen Raum.
Pflegebonus wegen besonderer Pandemie-Belastungen
Der Bundesrat hat auch den Weg für den Corona-Bonus für Pflegekräfte wegen besonderer Belastungen in der Pandemie freigegeben. Der Bundesrat billigte ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz, das insgesamt eine Milliarde Euro dafür vorsieht - je zur Hälfte für Beschäftigte in der Altenpflege und für Pflegekräfte in Krankenhäusern. Vorgesehen ist ein steuerfreier Bonus von bis zu 550 Euro in der Altenpflege. Für Beschäftigte in Kliniken gibt das Gesetz einen Mechanismus zur Ermittlung der profitierenden Beschäftigten und zur Bonus-Höhe vor.
Das Gesetz regelt außerdem, dass Apotheken künftig auch regulär Grippeimpfungen anbieten können. Demnach sind sie grundsätzlich dazu berechtigt, wenn das Personal dafür geschult wurde. Bislang war dies nur in Modellprojekten möglich. Seit Anfang Februar können Apotheken auch schon bundesweit Corona-Impfungen vornehmen.
Erhöhung von Mindestlohn und Renten
Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland erhalten ab 01. Oktober höhere Löhne. Der Bundesrat ließ am Freitag in Berlin die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns ab 01. Oktober auf 12 Euro pro Stunde passieren. Mit dem Verzicht des Bundesrates auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses nahm der Anstieg der Lohnuntergrenze die letzte Hürde in der Gesetzgebung.
Derzeit liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro brutto. Zum 01. Juli steigt er turnusmäßig auf 10,45 Euro, zum 01. Oktober dann auf 12 Euro je Stunde. Zugleich steigt die Grenze für Minijobs im Oktober von 450 auf 520 Euro im Monat.
Der Bundestag hatte die Gesetzesvorlage von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eine Woche zuvor beschlossen. Der Gesetzentwurf geht von heute etwa 6,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einem Stundenlohn unter 12 Euro aus. Später soll für die Festsetzung der Lohnuntergrenze wieder die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zuständig sein. Die nächste Anpassung ist für 1. Januar 2024 vorgesehen.
Auch Renten werden erhöht. Die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland erhalten vom 1. Juli an deutlich höhere Bezüge. Im Bundesrat nahm das entsprechende Gesetz, das eine Woche zuvor im Bundestag beschlossen worden war, am Freitag die letzte Hürde. Im Westen steigen die Renten zum 1. Juli um 5,35 Prozent, im Osten um 6,12 Prozent. Damit fällt die Rentenanpassung so stark aus wie seit Jahrzehnten nicht.
Widerstand gegen Übergewinnsteuer
Währenddessen stieß ein Vorstoß der Länder Bremen, Berlin und Thüringen für eine Sondersteuer auf hohe Zusatzgewinne von Unternehmen durch den Ukraine-Krieg auch in Niedersachsen auf Widerstand. Finanzminister Reinhold Hilbers nannte den Vorstoß am Freitag im Bundesrat "populistisch" und ein "wenig probates Mittel". Es stellten sich viele Fragen, sagte der CDU-Politiker. "Was ist ein kriegsbedingter Übergewinn und ab welcher Höhe ist davon auszugehen, dass er eintritt? Sind die erwartbaren möglichen Übergewinne der Rüstungsindustrie auch kriegsbedingt? Zweifellos. Sind sie aber auch unmoralisch?", fragte Hilbers mit Blick auf das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr.
Bremen, Berlin und Thüringen wollen erreichen, dass der Bundesrat die Bundesregierung bittet, einen Vorschlag für die befristete Erhebung einer solchen Steuer für das Jahr 2022 vorzulegen. Ziel ist es, krisenbedingte Übergewinne vor allem im Energiesektor mit einer Steuer oder Abgabe zu belegen. Aus den Einnahmen sollen dann staatliche Entlastungsmaßnahmen finanziert werden.
Während viele Menschen und Unternehmen unter den Folgen des Krieges wie der hohen Inflation litten und der Staat mit Milliardensummen gegensteuere, machten sich einige wenige die Taschen voll, sagte Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD). "Sie verdienen sich einfach deshalb eine goldene Nase, weil sie die aktuelle Lage schamlos ausnutzen." So hätten die vier Ölkonzerne Shell, BP, Exxon und Total allein im ersten Quartal dieses Jahres ihren Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahr von etwa 15 Milliarden US-Dollar auf rund 34 Milliarden mehr als verdoppelt.
Thüringens Bundes- und Europaminister Benjamin Immanuel Hoff (Linke) sprach von "Perversionstendenzen in unserer Wirtschaft". Nach der deutschen Verfassungsordnung sei es "das gute Recht des Staates, diese Gewinne auch durch Steuern abzuschöpfen".
Über den Vorstoß werden nun zunächst der Finanz- und der Wirtschaftsausschuss der Länderkammer beraten, bevor in einer der nächsten Sitzungen darüber abgestimmt wird.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Beschlüsse des Bundesrates: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48721 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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