Im Plenum des Bundesrates kam es noch einmal zum Kulturkampf pur – mit einem guten Ende für die Ampel. Die Anhänger einer Cannabis-Prohibitionspolitik scheiterten mit ihrem Anliegen, die Teil-Legalisierung zum 1. April zu stoppen.
Das politische Hauen und Stechen beim Thema Cannabis hat vorerst ein Ende: Das Cannabisgesetz (CanG), das vor wenigen Wochen noch mit großer Mehrheit im Bundestag beschlossen worden war, kann nun wie geplant in großen Teilen zum 1. April in Kraft treten. Die Regelungen, die die neuen Anbauvereinigungen betreffen, folgen zum 1. Juli.
Empfehlungen einiger Bundesratsausschüsse, die zum Ziel hatten, das Gesetz im Vermittlungsausschuss zu überarbeiten oder gar zu stoppen, erzielten am Freitag im Bundesrat keine Mehrheit. SPD und Grün-mitregierte Länder wie z.B. Nordrhein-Westfalen enthielten sich am Ende. Sachsens Abstimmungsverhalten war uneinheitlich und damit ungültig. Für die Anrufung des VA stimmten indes u.a. das SPD-regierte Saarland und das Grün-regierte Baden-Württemberg. Die Sitzung der Länderkammer erfreute sich einer derart großen Beliebtheit in der Bevölkerung, dass der Server des Bundesrates zusammenbrach. Interessierte mussten auf soziale Medien ausweichen, um die Beratungen zu verfolgen.
In der Plenarsitzung am Freitag verteidigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Vorhaben noch einmal vehement. Er verwies dabei auch auf eine in den letzten Tagen zustande gekommene Protokollerklärung.
"Amnestie ist Frage der Gerechtigkeit"
In dieser war Lauterbach in Abstimmung mit den Bundestagsfraktionen den Ländern entgegengekommen. Dabei war er auch noch einmal auf parteiübergreifende Sorgen der Justiz eingegangen. Parteiübergreifend hatten die Justizminister der Länder in den letzten Wochen ihren Unmut über eine im CanG verankerte Amnestieregelung zum Ausdruck gebracht und davor gewarnt, diese würde die Justiz lahmlegen. Die Regelung beinhaltet, dass noch nicht vollstreckte Strafen zu erlassen sind, wenn die der Strafe zugrunde liegende Tat nicht mehr strafbar ist.
In der Protokollerklärung stellte die Bundesregierung indes noch einmal klar, warum der 1974 von der sozial-liberalen Koalition beschlossenen Amnestie-Artikel 313 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, auf den das CanG verweist, nicht ausgeschlossen werden könne: "Die Anwendung dieser Regelung auch im Fall des Cannabisgesetzes ist eine Frage der Gerechtigkeit und trägt verfassungsrechtlichen Prinzipien Rechnung."
In der Protokollerklärung hatte Lauterbach den Ländern weitere Unterstützung bei der "Kinder- und Jugendschutz/Suchtprävention" zugesagt. Der Bund, so die Bundesregierung, sei sich seiner Verantwortung beim Ausbau der Aufklärungs- und Präventionsangebote im Rahmen der Umsetzung des Cannabisgesetzes bewusst. "Der Ausbau der Präventionsangebote ist von herausragender Bedeutung für einen verbesserten Kinder- und Jugendschutz. Deshalb sollen Kinder und Jugendliche durch die umfassende und zielgruppenorientierte Aufklärung über die Risiken des Cannabiskonsums gezielt erreicht und bestmöglich geschützt werden."
"Engmaschige Evaluierung"
Außerdem versprach Lauterbach den Ländern eine "engmaschige" Evaluierung. Eine erste Evaluation der Auswirkungen der Konsumverbote auf den Kinder- und Jugendschutz einschließlich der Auswirkungen auf das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen soll 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes vorgelegt werden. Dies betrifft insbesondere die einzuhaltenden Abstände zu Schulen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen. Auf Länderwunsch würden darüber hinaus auch die Besitzmengen sowie Weitergabemengen in Anbauvereinigungen evaluiert.
Der Gesetzentwurf der Ampel sieht den legalen Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene vor. Ermöglicht wird in strengen Grenzen der private Eigenanbau, der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch Anbauvereinigungen. Mit dem Gesetzentwurf werde ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis erleichtert, hofft die Ampel.
Außerdem verspricht sie sich von dem Gesetz nicht etwa mehr Konsumenten im Land, sondern einen verbesserten Gesundheitsschutz sowie eine verbesserte Aufklärung und Prävention. Außerdem hofft man, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu verbessern. Schließlich zeige die aktuelle Entwicklung, dass der Konsum von Cannabis trotz der bestehenden Verbotsregelungen weiter ansteige. Das vom Schwarzmarkt bezogene Cannabis sei überdies oft mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der Gehalt des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) unbekannt sei und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein könnten.
Drei Pflanzen zu Hause
Legal wird nun ab 1. April der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum, wenn diese vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche besonders geschützt werden. Hier hatten die Ampelfraktionen die erlaubte Besitzmenge im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf von 25 Gramm auf 50 Gramm erhöht. Damit war dem Hinweis Rechnung getragen worden, dass sich aus drei Pflanzen oft wesentlich mehr berauschendes Cannabis als nur 25 Gramm gewinnen lässt. Da sich die geplanten, streng regulierten Anbauvereinigungen laut Gesetz frühestens ab Juli gründen dürfen, wird sich das Züchten von Pflanzen zuhause in den nächsten Monaten großer Beliebtheit erfreuen.
In der Praxis wird es interessant zu beobachten sein, wie die Polizei künftig die Konsumverbotzonen in der Öffentlichkeit präzise kontrollieren wird. Während man in Deutschland mit Bierflasche in der Hand nahezu überall herumlaufen darf, ist der Cannabis-Konsum laut neuem Gesetz fortan in Sichtweite bzw. in einer Schutzzone von 100 Metern um Anbauvereinigungen sowie Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen und öffentlich zugängliche Sportstätten verboten.
"Der notwendige Paradigmenwechsel"
Hamburgs grüne Justizsenatorin Anna Gallina erklärte nach der Abstimmung, man werde jetzt seitens der Justiz das Beste geben: "Die Staatsanwaltschaft hat hier schon sehr viel wertvolle Vorarbeit geleistet. Es muss aber jedem klar sein, dass nicht alles vom 1. April an reibungslos laufen wird." Dass die Teil-Legalisierung komme, sei eine gute Nachricht. "Das ist der notwendige Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik", so Gallina.
Nach den hitzigen Debatten der vergangenen Tage, auch um die Rolle des Vermittlungsausschusses, rief Gallina außerdem zur Beruhigung auf: "Alle demokratischen Akteure sollten wieder abrüsten, damit die etablierten demokratischen Aushandlungsprozesse zwischen Bund und Ländern auch wieder ihrem Auftrag der Vermittlung von Interessen gerecht werden können und sich am Ende alle darauf verlassen können."
Nach dem Gesetz ist vor dem Gesetz
Damit das CanG in Kürze im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden kann, muss es in den nächsten Tagen noch der Bundespräsident unterzeichnen. Das dürfte unproblematisch sein, zumal noch nicht einmal die Union ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken an dem Gesetz geltend macht.
Und wenn das CanG schließlich in Kraft getreten ist, lautet die Devise: "Nach dem Gesetz ist vor dem Gesetz." Schließlich steht nicht nur die von der Ampel angekündigte Anpassung des THC-Grenzwertes im Straßenverkehr an. Auch müssen die am Freitag in der Protokollerklärung erklärten Zusagen an die Länder auf den Weg gebracht werden. In der Protokollerklärung der Bundesregierung heißt es dazu abschließend: "Diese Regelungen sind noch vor dem 1. Juli 2024 bundesrechtlich sicher zu verankern."
Bundesrat lehnt Anrufung des Vermittlungsausschusses ab: . In: Legal Tribune Online, 22.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54184 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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