Die Diskussionen um die geplante Corona-Notbremse dauern an. Besonders an den nächtlichen Ausgangssperren scheiden sich die Geister, auch unter Juristen wird das Thema kontrovers diskutiert. Die GroKo reagierte am Montag.
Vor knapp einer Woche einigte sich die Bundesregierung auf einen Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Nachdem die bisherige, recht unterschiedliche Vorgehensweise der Länder für viel Kritik sorgte, sollen nun durch das "vierte Bevölkerungsschutzgesetz" Kompetenzen auf die Bundesebene verschoben werden. Außerdem soll im Gesetz die sogenannte Bundes-Notbremse festgeschrieben werden, die ab einer Inzidenz von 100 in einem Landkreis greifen soll. Die Abstimmung des Bundestages über das Gesetz soll voraussichtlich am Mittwoch erfolgen, für Donnerstag sollen die Regelungen dann den Bundesrat passieren.
Teil der Bundes-Notbremse soll auch eine nächtliche Ausgangssperre sein. Von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr sollen Bürger ihre Wohnung nur noch aus "gewichtigen und unabweisbaren" Gründen verlassen dürfen. Dazu zählen beispielsweise medizinische Notfälle oder berufliche Tätigkeiten.
Insbesondere diese Regelungen zur Ausgangssperre werden von vielen Seiten kritisiert. Am Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) gingen bereits die ersten Beschwerden gegen Ausgangssperren ein, die in NRW in manchen Landkreisen und Städten bereits seit einigen Tagen gelten. Außerdem gingen allein beim Verwaltungsgericht Köln gegen die in Köln seit Freitag geltende Ausgangsbeschränkung bis Montag Mittag 16 Anträge von Privatpersonen ein. Die Entscheidungen der Gerichte stehen allerdings noch aus und bleiben mit Spannung zu erwarten.
"Elfmeter" für Klage vor dem BVerfG oder "gelungene" Maßnahme?
In der rechtswissenschaftlichen Diskussion zeigt sich bisher ein geteiltes Bild. Während Prof. Dr. Michael Brenner von der Universität Jena die bundesweite Notbremse als "insgesamt gelungen" bewertet, finden sich auch viele Stimmen gegen die Maßnahmen. Brenner sieht in den geplanten Regelungen jedenfalls den richtigen Weg zwischen der Eindämmung des Virus und verhältnismäßigen Grundrechtseinschränkungen und ordnet die Anknüpfung an die Inzidenzzahlen als sinnvoll ein. Auch die Ausgangssperre sei sowohl verhältnismäßig als auch verfassungsgemäß. Lediglich den Beginn um 21.00 Uhr sieht er kritisch, Beginn der Ausgangssperre ab 22 Uhr zieht er vor.
Anders sehen dies beispielsweise Prof. Dr. Christoph Möllers von der Humboldt-Universität Berlin und Prof. Dr. Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg. Möllers bezweifelt die Verhältnismäßigkeit pauschaler Ausgangssperren, er warnte vor dem "Risiko des großen Unfalls in Karlsruhe", den die Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erleiden könnte. Kingreen sieht die Unverhältnismäßigkeit der Ausgangssperre unter anderem in der alleinigen Anknüpfung an die Inzidenzzahl begründet. Insbesondere wenn die Beschränkungen gleichermaßen für Geimpfte gelten würden, sei das ein "Elfmeter" für die Klage eines Geimpften vor dem BVerfG.
Auch aus dem Bundestag kam bereits Kritik an den Regelungen. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hält es für "zweifelhaft, ob die geplanten nächtlichen Ausgangsbeschränkungen einer abschließenden verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten". Darin wurden außerdem deutliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Ausgangssperre und auch an den Regelungen insgesamt unter pauschaler Anknüpfung an den Inzidenzwert geäußert.
Union und SPD reagieren auf die Kritik
Auf die heftige Kritik an den geplanten Regelungen reagierte die Bundesregierung noch am Montag. Die Fraktionen von SPD und Union einigten sich auf die Verkürzung der Ausgangssperre von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr, außerdem soll nächtliches Joggen und Spazierengehen bis Mitternacht erlaubt bleiben. Daneben soll Click & Collect im Einzelhandel auch bei höheren Inzidenzwerten möglich sein und Kinder bis 14 Jahre sollen weiter in Gruppen Sport machen dürfen. Für den Präsenzunterricht an Schulen wurde der Inzidenzwert hingegen noch einmal herabgesetzt: Ab einer Inzidenz von 165 soll wieder Distanzunterricht durchgeführt werden. Außerdem wurde sich darauf geeinigt, dass Arbeitgeber zwei Corona-Tests pro Woche für ihre Arbeitnehmer bereitstellen müssen.
ast/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
Corona-Notbremse auf Bundesebene: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44751 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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