Unternehmensjuristen können nicht - wie andere Rechtsanwälte - von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden, um ausschließlich in das anwaltliche Versorgungswerk einzuzahlen. Ihre Weisungsgebundenheit stehe dem Bild des unabhängigen Anwalts entgegen, so das BSG am Donnerstag in drei Revisionsverfahren. Anwalts-, Interessen- und Arbeitgebervertreter reagieren schockiert.
Syndikusanwälte, auch: Unternehmensjuristen, sind abhängig beschäftigte Rechtsanwälte. Ob auch sie - wie alle anderen Rechtsanwälte - von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können, um stattdessen ausschließlich ins Versorgungswerk für Rechtsanwälte einzuzahlen, hatten die Landessozialgerichte unterschiedlich beurteilt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat eine Befreiung nun vollständig abgelehnt (Urt. v. 03.04.2014, Az. B 5 RE 13/14 R u.a.).
"Die Tätigkeit als Syndikus steht einer Tätigkeit als Rechtsanwalt zwar nicht entgegen, sie ist ihr aber auch nicht zuzurechnen", zitiert der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) den Vorsitzenden des 5. Senats, Josef Berchtold.
Daher unterlägen alle abhängig Beschäftigten grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Ein Wahlrecht existiere nicht, auch liege keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung aufgrund einer möglichen Doppelbelastung vor. Wer eine weisungsgebundene Tätigkeit ausführe, könne nicht Rechtsanwalt sein.
Nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI werden von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung folgende Personen befreit: "Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind".
Rechtsanwälte lassen sich von der Rentenversicherungspflicht befreien, um ausschließlich in die Kassen der Versorgungswerke der freien Berufe einzuzahlen. Diese arbeiten im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung kapitalgedeckt, bieten also eine anders finanzierte Altersversorgung (mit allen Risiken der Anlage) an. Verbleibt ein Anwalt in der Deutschen Rentenversicherung und muss daneben Mindestbeiträge an ein anwaltliches Versorgungswerk zahlen, erhält er voraussichtlich eine schlechtere Altersversorge, als wenn er ausschließlich in das Versorgungswerk einzahlen würde.
BSG: Syndikusanwälte sind nicht als Rechtsanwälte beschäftigt
Die Unternehmensjuristen, die vor das BSG zogen, sind jeweils bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern abhängig beschäftigt und damit in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HS. 1 SGB VI). Gleichzeitig sind sie Pflichtmitglieder in ihren Rechtsanwaltskammern (§ 12 Abs 3, § 60 Abs 1 S 2 BRAO) und im jeweiligen berufsständischen Versorgungswerk.
Nach Ansicht des BSG sind sie aber nicht "wegen der" Beschäftigung Pflichtmitglieder der Rechtsanwaltskammer und des Versorgungswerks. Denn die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Versorgungswerk müsse wegen ein und derselben Beschäftigung bestehen.
"Die Kläger sind jedoch nicht als Rechtsanwälte bei ihren jeweiligen Arbeitgebern beschäftigt", heißt es in der Pressemitteilung des 5. Senats. Wer als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehe, werde in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt sei der Syndikus nur in seiner freiberuflichen, versicherungsfreien Tätigkeit außerhalb seines Dienstverhältnisses (sogenannte Doppel- oder Zwei-Berufe-Theorie).
Arbeitgebervertreter befürchtet Spaltung der Anwaltschaft
Rechtsanwalt Martin W. Huff, der einen beigeladenen Arbeitgeber vertreten hat, hält das Urteil für eine Katastrophe. "Das führt zu einer Spaltung der Anwaltschaft." Die Begründung des Gerichts überzeugt ihn nicht. "Das zugrunde gelegte anwaltlich Berufsbild gibt es nicht mehr. Sogar ein selbständiger Anwalt ist an die Weisungen seines Mandanten gebunden." Er will das Urteil nun verfassungsrechtlich prüfen lassen. "Auch die Arbeitgeber haben ein Interesse daran, das verfassungsrechtlich klären zu lassen."
Ebenso unzufrieden zeigt sich der Deutsche Anwaltverein (DAV). DAV-Präsident Wolfgang Ewer verweist auf einen Gesetzgebungsvorschlag seines Vereins, der die berufsrechtliche Stellung der Syndikusanwälte klären könnte. "Der DAV und seine Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte werden nicht nachlassen, sich für die Einheit der Anwaltschaft einzusetzen."
Für bereits befreite Syndikusanwälte gilt das Urteil nicht. Sie genießen Bestandsschutz. "Wer jedoch keinen aktuellen Befreiungsbescheid vorliegen hat, der kann sich fortan nicht mehr befreien lassen", so der Senatsvorsitzende.
cko/LTO-Redaktion
BSG zu Syndikusanwälten: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11560 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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