BSG zur fingierten Genehmigung nach gerissener Frist: Kasse muss Kosten für Bauch­straf­fung über­nehmen

07.11.2017

Nach ihrer massiven Gewichtsabnahme wollten zwei Frauen eine Gewebestraffung am Bauch vornehmen lassen. Die Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme ab - allerdings zu spät. Nun muss sie zahlen, so das BSG.

Lehnt eine Krankenkasse einen Leistungsantrag nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist ab, so muss sie für die Behandlung sorgen, ohne dass der Versicherte in Vorleistung gehen muss. Das gilt auch dann, wenn sie den Antrag später noch ablehnt, entschied am Dienstag das Bundessozialgericht (BSG) (Urt. v. 07.11.2017, Az. B 1 KR 15/17 R; B 1 KR 24/17 R).

Die beiden klagenden Frauen teilten im vorliegenden Fall neben derselben Krankenkasse auch das gleiche Leiden: Mit einer massiven Gewichtsabnahme hatte naturgemäß das Gewebe im Bauchraum nicht mithalten können, weshalb sie sich einer Abdominalplastik (Straffung der Bauchhaut) unterziehen wollten.

Ihre Leistungsanträge an die Krankenversicherung blieben allerdings zunächst unbeantwortet. Nach § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) muss die Kasse grundsätzlich möglichst zügig, spätestens aber drei Wochen nach Eingang des Antrags entscheiden. Anderenfalls muss sie dies den Versicherten wenigstens mitteilen. Doch die Kasse blieb stumm.

BSG: Gesetzgeber wollte (mittellose) Patienten schützen

Im Weiteren sieht die Norm vor, dass mit Verstreichen der Frist eine Genehmigung der Krankenkasse zu fingieren ist, mit der Folge, dass der Antragsteller Anspruch auf Kostenübernahme hat, wenn er sich die Leistung selbst beschafft. Um dies zu erreichen, zogen die beiden Frauen vor Gericht.

Dort nahm die Kasse in beiden Fällen jeweils vorsorglich eine etwaige fingierte Genehmigung zurück. Während die Instanzgerichte noch unterschiedlich urteilten - insbesondere das Landessozialgericht (LSG) NRW ging in seiner ablehnenden Entscheidung ausdrücklich auf Distanz zur bisherigen BSG-Rechtsprechung -, entschied das BSG nun aber zugunsten beider Frauen.

Die Rücknahme der Genehmigung vor Gericht sei rechtswidrig und daher nicht zu berücksichtigen, da es im Falle der fingierten Genehmigung nicht darauf ankomme, ob der Anspruch materiell-rechtlich bestehe, sondern lediglich darauf, ob die Voraussetzungen der fingierten Genehmigung vorlägen. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung die Rechte der Patienten gezielt verbessern wollen, argumentierten die Kasseler Richter. Er schütze damit bewusst das Interesse aller Berechtigten an zeitgerechten Entscheidungen der Krankenkassen.

Eine der beiden Frauen war zudem mittellos, sodass sich der 1. Senat dazu veranlasst sah, auch klarzustellen, dass die Norm keinen Anspruch auf bloße nachträgliche Kostenübernahme gewähre, sondern einen Naturalleistungsanspruch auf Versorgung mit der entsprechenden Behandlung. Mittellose Versicherte hätten mit der Regelung in § 13 SGB V nicht gegenüber den Versicherten benachteiligt werden sollen, die sich gleich nach der Genehmigung die Leistung selbst beschaffen könnten, so das BSG. Anderenfalls würde ihnen wieder genommen, was er mit einer rechtmäßig fingierten Genehmigung gewährt worden sei.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BSG zur fingierten Genehmigung nach gerissener Frist: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25421 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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