Immer noch sind deutschlandweit Tausende Verfahren von Autokäufern gegen VW anhängig. Bei allen Klagen, die erst nach 2018 erhoben wurden, ist Hauptstreitpunkt die Verjährung. Nun hat sich der BGH erstmals dazu geäußert.
Als 2015 der Dieselskandal aufgeflogen war, klagten daraufhin etliche Kunden von Volkswagen (VW) auf Schadensersatz. Einige schlossen sich der Musterfestellungsklage der Verbraucherzentrale gegen VW an, die mit einem Vergleich endete. Viele Kunden zogen jedoch selbst vor Gericht, zahlreiche auch erst in den Jahren 2019 und 2020. Laut VW sind entsprechend noch rund 9.000 Verfahren aus den vergangenen beiden Jahren offen.
Auch wenn nicht in allen dieser noch offenen Fälle unstreitig feststeht, dass die Käufer beim Kaufzeitpunkt bereits Kenntnis vom Abgasskandal hatten, erhebt VW unterschiedslos gegen alle Ansprüche der noch klagenden Kunden, die nach 2018 geltend gemacht wurden, die Einrede der Verjährung. Die gesetzliche Verjährungsfrist läuft drei Jahre nach Jahresende desjenigen Jahres ab, in dem Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt wurde.
Der Autobauer argumentiert deshalb: Da im Jahr 2015 eine umfassende Medienberichterstattung, die weit bis in die regionalen Zeitungen gereicht habe, erfolgt sei, könne sich niemand darauf berufen, danach nichts von der eingebauten Schummel-Software gewusst zu haben. So seien allein im September 2015 über 1.000 Artikel in deutschen Printmedien zu der Sache veröffentlicht worden, untermauerte VW seine Ansicht.
BGH tendiert dazu, Verjährung anzunehmen
Am Montag beschäftigte sich nun auch der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob die Verjährung der Ansprüche im Dieselskandal bereits mit Ende des Jahres 2018 eingetreten ist (Az. VI ZR 739/20). Bis nach Karlsruhe geklagt hatte sich ein Autokäufer, der alle Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen VW erfüllt, der allerdings erst 2019 eben jene Klage am Stuttgarter Landgericht erhoben hatte. Sieht es auch der BGH so, dass die Ansprüche Ende 2018 verjährt sind, wäre diese Klage sowie alle anderen Klagen von Kunden, die zum Kaufzeitpunkt Kenntnis vom Skandal hatten und erst nach 2018 Klage erhoben, abzuweisen.
Deutschlands höchste Zivilrichterinnen und -richter ließen während der Verhandlung durchblicken, dass sie die Ansicht des Autobauers durchaus teilen. Sie gehen aller Voraussicht nach ebenfalls davon aus, dass in diesen Fällen Ende 2018 Verjährung eingetreten ist, wie sich am Montag abzeichnete. Ein Urteil, das endgültige Gewissheit bringt, wollten sie "kurzfristig" verkünden.
VW zeigte sich mit der in der heutigen Verhandlung zu Tage getretenen Tendenz des BGH sehr zufrieden. "Der BGH neigt der Auffassung zu, dass im konkreten Fall die dreijährige Verjährungsfrist Ende 2015 begann und damit Ende 2018 endete. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Rechtsauffassung von Volkswagen", hieß es dazu aus Wolfsburg.
Rechtsanwalt Friedemann Höppner von der Kanzlei von Rueden, die den Autokäufer in dem Fall, den der BGH jetzt verhandelte, vertrat, wies hingegen daraufhin, dass es sich bei diesem um einen "exotischen Einzelfall" handele. Die Entscheidung des BGH betreffe damit nur einen sehr geringen Anteil von Klagen gegen die Volkswagen AG in den Konstellationen, "in denen die Kläger bereits Ende 2015 wussten, dass ihre Fahrzeuge vom Abgasskandal betroffen sind und bis zur Individualklage 2019 nichts weiter unternommen haben."
ast/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
BGH-Verhandlung zum Dieselskandal: . In: Legal Tribune Online, 14.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43732 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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