Die identifizierende Berichterstattung der Bild über zwei Männer, die jahrelang untersagte Geschäfte mit Immobilien in München machten, war zulässig. Das Öffentlichkeitsinteresse wiege schwerer als das Recht am eigenen Bild, so der BGH.
Die Bild-Zeitung durfte die Bilder von zwei Männern, die über Jahre hinweg unerlaubt Wohnraum an sogenannte Medizintouristen vermietet haben, in einem Artikel über ihr Vorgehen abdrucken. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem nun veröffentlichten Urteil entschied, kann auch ein nicht mit Strafe bedrohtes rechtswidriges Verhalten einer der Öffentlichkeit nicht bekannten Person etwa wegen seiner Art, seines Umfangs und seiner Auswirkungen auf gewichtige Belange der Gesellschaft von so erheblicher Bedeutung für die Öffentlichkeit sein, dass das Recht am eigenen Bild hinter dem Öffentlichkeitsinteresse zurücktritt (Urt. v. 17.12.2019, Az. VI ZR 504/18).
Die Bild hatte im Februar 2017 über ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) München berichtet. Zwei Männer hatten in gewerblichen Umfang Immobilien in München angemietet und sie dann zu hohen Mieten an sogenannte Medizintouristen weitervermietet. Diese Praxis wurde den beiden mit diversen verwaltungsgerichtlich bestätigten Bescheiden untersagt, da sie den Tatbestand der verbotenen Zweckentfremdung von Wohnraum erfüllte. Die beiden Männer führten ihre Geschäfte aber trotzdem weiter fort.
Das Blatt hatte daraufhin unter der Überschrift "Richterin über das Geschäfts-Modell Medizin-Tourismus: 'Vermieter kassieren Wahnsinns-Geld'" über die beiden berichtet und auch deren Vornamen sowie ein Bild der Männer abgedruckt. Diese verklagten die Zeitung daraufhin auf Unterlassung.
BGH: "Selbst erregtes Öffentlichkeitsinteresse darf befriedigt werden"
Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte den Männern noch Recht gegeben, da es sich bei den Bildnissen nicht um solche aus dem Bereich der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz handele. Allein der Umstand, dass die Kläger ihr rechtswidriges Geschäftsmodell in gewerblichem Umfang mit erheblichen Gewinnen betrieben haben, führe nicht dazu, dass sie auch eine individualisierende Bildberichterstattung zu dulden hätten.
Der BGH hielt die Revision der Bild nun aber für begründet und verneinte einen Unterlassungsanspruch. Es handele sich sehr wohl um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Das Thema Wohnungsnot in München sei von hohem gesellschaftlichen Interesse. Dieses wiegt laut BGH auch nicht weniger schwer, nur weil es sich nicht um eine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit handelt. Zwar ließe sich die Bedeutung für die Öffentlichkeit nicht mit dem Bekanntheitsgrad der Männer begründen, die zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen - wohl aber mit der besonderen Bedeutung ihres Fehlverhaltens für die Öffentlichkeit, so die Karlsruher Richter.
"Wenn die Kläger derart zu Lasten der Gesellschaft gegen die Rechtsordnung verstoßen, müssen sie dulden, dass das von ihnen selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird", heißt es in dem Urteil. Die Beeinträchtigung des Rechts auf Schutz der Persönlichkeit wiege deshalb weniger schwer als das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit.
acr/LTO-Redaktion
Bild-Zeitung gewinnt vor dem BGH: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40353 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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