Sogenannte Abbruchjäger auf Ebay wollen keine Vertragserfüllung, sondern hoffen auf Schadensersatz. Wo dabei die Grenze zu legitimer Schnäppchenjagd verläuft, hat der BGH nun konkretisiert.
Wenn eine Ebay-Auktion abgebrochen wird, obwohl schon Gebote abgegeben worden sind, kommt unter Umständen ein Vertrag mit dem Höchstbietenden zustande. Der Verkäufer muss dann erfüllen und die Ware an den zum Zeitpunkt des Auktionsabbruchs Höchstbietenden übergeben und übereignen. Tut er das nicht, macht er sich möglicherweise schadensersatzpflichtig.
Mittlerweile ist das zu einer Masche geworden: So mancher Ebay-Nutzer bietet geringe Beträge auf Auktionsartikel, die er nicht braucht, die aber ein Vielfaches wert sind, in der Hoffnung, dass der Verkäufer die Auktion abbricht, weil ihm der Preis mangels weiterer Mitbieter zu niedrig erscheint. Kommt es zum Abbruch, machen solche Nutzer Schadensersatzansprüche geltend. Sie werden auch als "Abbruchjäger" bezeichnet.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung zu klären, ab wann ein solches Verhalten rechtsmissbräuchlich ist. Wo zieht man die Grenze zwischen legitimer Schnäppchen- und rechtsmissbräuchlicher Abbruchjagd? Abstrakte, verallgemeinerungsfähige Kriterien, die den zwingenden Schluss auf ein Vorgehen als "Abbruchjäger" zulassen, können laut BGH jedenfalls nicht aufgestellt werden. Vielmehr hänge es von einer dem Tatrichter obliegenden Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände ab, ob die jeweils vorliegenden Indizien einen solchen Schluss tragen (Urt. v. 22.05.2019, Az. VIII ZR 182/17).
Schnäppchenjagd ist nicht verwerflich
Im vom BGH entschiedenen Fall hatte der beklagte Verkäufer im März 2012 einen hochwertigen Pirelli-Reifensatz zum Startpreis von einem Euro auf Ebay zum Verkauf angeboten. Er beendete die Auktion aber vorzeitig. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Höchstbietender mit einem Gebot von 201 Euro. Nach den seinerzeit geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Online-Auktionshaus kam ein Kaufvertrag mit dem Höchstbietenden auch bei vorzeitiger Beendigung der Auktion zustande, es sei denn, der Anbieter war zur Rücknahme des Angebots "gesetzlich" berechtigt.
Der klagende Mann forderte den Verkäufer zunächst vergeblich auf, den Radsatz gegen Zahlung von 201 Euro herauszugeben. Später trat er vom Vertrag zurück und forderte Schadensersatz in Höhe von 1.500 Euro. Seine Klage auf Schadensersatz war in den Vorinstanzen erfolgreich.
Der BGH wies die Revision des beklagten Verkäufers nun ebenfalls zurück. Er könne dem Kläger nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB entgegenhalten, so der BGH. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten komme bei Abbruchjägern zwar in Betracht – der Kläger habe sich aber nicht als Abbruchjäger, sondern vielmehr als Schnäppchenjäger betätigt.
Auktionsanzahl und Gebotssumme keine verlässlichen Kriterien
Der Käufer in diesem Fall hatte bei einer Vielzahl von Auktionen niedrige Gebote abgegeben. Dem Versuch des beklagten Verkäufers, aus der Vielzahl der vom Käufer abgegebenen Gebote einen Rückschluss auf dessen rechtsmissbräuchliches Verhalten zu ziehen, erteilte der BGH aber eine Absage. Die Gesamtsumme der gebotenen Geldbeträge sei schon deshalb unerheblich, weil ein Bieter bei der Abgabe von weit unter dem Marktwert liegenden Höchstgeboten regelmäßig überboten werde, bei der Auktion dann nicht zum Zuge komme und demzufolge auch den angebotenen Preis nicht zu entrichten habe. Eine solche Vorgehensweise ziele stattdessen in einer "den Internetauktionen immanenten und nicht zu missbilligenden Weise darauf ab, bei einer geringen Anzahl von Auktionen, dann aber zu einem für ihn aufbringbaren 'Schnäppchenpreis', zum Zuge zu kommen", so der BGH.
Ebenso unerheblich sei, wofür der Käufer die Waren, auf die er bietet, verwenden will. Ob er den Radsatz für sich selbst oder einen Dritten erwerben wollte, weiter verschenken oder weiter veräußern wollte, lasse als bloßes Kaufmotiv keine tragfähigen Rückschlüsse auf eine fehlende Erwerbsabsicht zu. Zudem habe das Berufungsgericht festgestellt, dass der Käufer auf diese Weise erstandene Artikel in der Vergangenheit auch abgenommen habe.
Das Verhalten des Käufers im Zeitraum nach der Auktion könne ebenfalls kein maßgebliches Indiz für das Vorgehen als Abbruchjäger sein, entschied der BGH. Er hatte in den Jahren 2013 und 2014 an etwa 14.000 Auktionen mit einem Gesamtbetrag von mehr als 52 Millionen Euro teilgenommen und nach eigenen Angaben im Jahr 2014 in etwa 100 Fällen Schadensersatz geltend gemacht. Dieses Vorgehen liege aber zeitlich weit hinter der Internet-Auktion im vorliegenden Fall zurück, zu der es im Jahr 2012 gekommen war. So lasse auch das keine Rückschlüsse auf eine fehlende Erwerbsabsicht zu, zumal der Mann die von ihm ersteigerten Gegenstände auch immer abgenommen habe.
BGH zu abgebrochener Ebay-Auktion: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36395 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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