Beharrlich hält das LG Berlin II an seiner Ansicht fest, dass Mieter, die ihre Mietrückstände rechtzeitig nachzahlen, auch eine ordentliche Kündigung abwenden. Der BGH sieht das anders und hebt zum dritten Mal ein solches Urteil des LG auf.
Mieter, die mit den Mietzahlungen für ihre Wohnungen im Rückstand sind, können eine fristlose Kündigung noch durch nachträgliche Zahlung verhindern (sogenannte Schonfristzahlung). Vor einer zeitgleich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung bleiben sie selbst bei zeitiger Nachzahlung nicht bewahrt. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar und richtete dabei erneut klare Worte an das Landgericht (LG) Berlin II (Urt. v. 23.10.2024, Az. VIII ZR 106/23). Das nämlich vertrat in dieser Frage eine ganz andere Meinung – und zwar beharrlich.
Die Mieter in dem zugrundeliegenden Fall bewohnen seit 1994 eine Wohnung in Berlin. Im Oktober 2019, Januar 2020 und Mai 2021 zahlten sie ihre Miete nicht. Es folgte die außerordentliche Kündigung, hilfsweise sprach die Vermieterin auch die ordentliche Kündigung aus. Zudem klagte sie auf Räumung der Wohnung.
Als sie wenige Wochen später wieder Geld hatten, glichen die Mieter alle ausstehenden Mietrückstände vollständig aus. Das Amtsgericht Kreuzberg gab der Räumungsklage trotzdem statt: Zwar hatten die Mieter die außerordentliche Kündigung durch die nachträgliche Zahlung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuchs (BGB) noch abwenden können. Aufgrund der ordentlichen Kündigung sei das Mietverhältnis aber trotzdem wirksam beendet worden, so das Amtsgericht. Daraufhin kam das LG Berlin II ins Spiel.
LG Berlin II: Auch ordentliche Kündigung wird durch Nachzahlung geheilt
Hiergegen wehrten sich die Mieter im Wege der Berufung vor dem LG Berlin II – mit Erfolg. Nach Ansicht des LG heilt die Schonfristzahlung nämlich nicht nur die fristlose, sondern auch die ordentliche Kündigung, wenn diese auch auf demselben, nunmehr ausgeglichenen Zahlungsrückstand gestützt wird (Urt. v. 10.05.2023, Az. 66 S 258/22).
Dass der Gesetzgeber kurzzeitig klamme Mieter nur vor der fristlosen, nicht aber vor der ordentlichen Kündigung schützen wollte, ist laut dem LG Berlin II nicht offensichtlich. Vielmehr habe der Gesetzgeber zu der Anwendung des § 569 Abs. 3 BGB geschwiegen.
Mit diesem Normverständnis hatte das LG Berlin II bereits in der Vergangenheit Schonfristzahlungs-Urteile begründet, die allesamt anschließend vom BGH aufgehoben wurden. Der sieht die Sache nämlich anders.
BGH: Richter dürfen Gesetz nicht durch "eigene rechtspolitische Vorstellungen verändern"
Nun schmetterte der BGH auch dieses Urteil in nächster Instanz regelrecht ab. Die Nachzahlung der Mietrückstände wirke sich lediglich auf die fristlose, nicht aber auch auf die ordentlich ausgesprochene Kündigung aus. § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB sei weder unmittelbar noch analog auf die ordentliche Kündigung anwendbar.
Die in der Nichtzahlung liegende Pflichtverletzung werde durch die nachträgliche Zahlung nicht geheilt. Eine ordentliche Kündigung bleibe daher nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB möglich, wenn auch die Erheblichkeit der Nichtzahlung gegeben ist. Diese hänge von der Dauer und Höhe des Zahlungsverzuges ab.
Der Ansicht des LG, es sei kein bindender Wille des Gesetzgebers erkennbar, erteilten die Karlsruher Richter im zweiten Leitsatz ihres Urteils eine Absage: "Diese (beschränkte) Wirkung des Nachholrechts des Mieters entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, so dass der an Gesetz und Recht gebundene Richter diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen darf, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war."
Die Sache hat der BGH damit an das LG Berlin II zurückverwiesen – an eine andere Kammer.
lmb/LTO-Redaktion
Wegen anderer Auffassung zum Mietrecht: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55885 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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