Die eigene Wohnung zwischendurch mal an Touristen vermieten - das wollten die übrigen Wohnungseigentümer einem Mitglied verbieten. In dieses "mehrheitsfeste" Recht darf die Eigentümerversammlung ohne dessen Zustimmung aber nicht eingreifen.
Unterkunftsvermittler im Internet wie Airbnb haben das Vermieten an Urlauber und Geschäftsreisende einfach gemacht – was aber, wenn das den Nachbarn nicht passt? Ist man Teil einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), kann die kurzzeitige Vermietung der eigenen vier Wände nachträglich jedenfalls nur mit der Zustimmung aller Wohnungseigentümer untersagt werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag (Urt. v. 12.04.2019, Az. V ZR 112/18).
Anlass dafür gab der Streit zwischen Wohnungseigentümern aus dem Emsland. Auf der einen Seite: eine Frau, die ihre Wohnung an Feriengäste vermieten möchte. Auf der anderen Seite: geschlossen die übrigen Eigentümer - sie fühlen sich durch die wechselnden Gäste im Haus gestört.
Bereits entschieden hat der BGH im Jahr 2010, dass die Kurzzeitvermietung in Eigentumswohnungen grundsätzlich zulässig ist, solange nichts anderes vereinbart wurde. Im vorliegenden Fall stand die Erlaubnis sogar ausdrücklich in der Teilungserklärung. Diese kann eigentlich nur mit den Stimmen sämtlicher Eigentümer geändert werden. Für mehr Flexibilität sind aber oft Öffnungsklauseln vorgesehen, die Änderungen per Mehrheitsbeschluss gestatten.
Streitfrage: Wie weit reichen die allgemeinen Öffnungsklauseln?
Deswegen hatten die Karlsruher Richter in diesem Fall grundsätzlich zu klären, wann Eigentümer gegen den Willen einer Minderheit etwas zu deren Nachteil beschließen dürfen und wann das zu weit geht. Denn in der Immobilie in Papenburg war die Kurzzeitvermietung zunächst erlaubt. Erst nachträglich schlossen die Ferienwohnungsgegner eine solche Nutzung in der Eigentümerversammlung mit einer Dreiviertel-Mehrheit aus.
Dieser Beschluss über den Kopf des vermietenden WEG-Mitglieds hinweg ist rechtswidrig, entschied nun der BGH. Jeder Eigentümer müsse sich darauf verlassen können, dass die Nutzung seiner Wohnung nicht ohne sein Zutun eingeschränkt werde. Mit allgemeinen Öffnungsklauseln könnten Vereinbarungen zwar grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit geändert werden. Das gelte aber nicht für "mehrheitsfeste" Rechte der Eigentümer, so der fünfte Senat. Zu dene zähle auch die Zweckbestimmung seines Wohnungseigentums. Das ergibt nach Auffassung des BGH eine verfassungskonforme Auslegung im Hinblick auf Art. 14 Grundgesetz (GG).
Damit hat der BGH eine "zu erwartene und richtige" Entscheidung getroffen, wie Notar und Rechtsanwalt Dominik Schüller gegenüber LTO erklärt. Denn ein Wohnungseigentümer müsse darauf vertrauen dürfen, dass sein Eigentum nicht gegen seinen Willen ausgehöhlt werde. Für den Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht hat das nachträgliche Verbot der Eigentumsnutzung in einem Teilbereich aber genau solches Potenzial, weswegen es mit dem Grundrecht auf Eigentum nicht vereinbar sei.
Wenn in einer Wohnungseigentumsanlage keine Ferienwohnungen erwünscht seien, müsse dies entweder von Anfang an in der Gemeinschaftsordnung geregelt sein oder mit Zustimmung aller Miteigentümer nachträglich vereinbart werden, so Schüller. Eine Öffnungsklausel sei "kein Freibrief für eine Eigentumsbeschränkung durch die Mehrheit."
BGH: Unbekannte Feriengäste nicht automatisch eine Störung
Ein Vermietungsverbot ist also nur dann rechtmäßig, wenn alle Wohnungseigentümer zustimmen. Das gilt nach Ansicht des BGH nicht nur für ein generelles, sondern auch für spezielle Verbote, mit denen nur bestimmte, nämlich kurzzeitige Vermietungen untersagt werden. Alles andere schränke das Recht jedes einzelnen Wohnungseigentümers aus § 13 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) zu stark ein, so der BGH. Danach dürfen die Wohnungseigentümer mit ihrem Sondereigentum nach Belieben verfahren – und zwar dauerhaft und in erheblicher Weise. Gründe, die Vermietung von besonders kurzer Dauer auszuklammern, sahen die Karlsruher Richter deswegen nicht. Im Gegenteil befürchteten sie sogar in erhebliche Abgrenzungs- und Wertungsprobleme in Fällen wie diesem.
Für die übrigen Wohnungseigentümer heißt das nicht, dass sie Störungen wie etwa Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigungen durch die Feriengäste hinnehmen müssten. Dafür könnten sie den Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG geltend machen, so der BGH. Der Umstand, dass die Bewohner die kurzzeitigen Mieter nicht kennen würden, stelle aber keine Störung dar.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materilaien der dpa
BGH zu kurzzeitiger Vermietung von Wohnungen: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34881 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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