Ein Vater, der seine mittlerweile 26-jährige Tochter seit zehn Jahren weder gesehen noch gesprochen hat, muss nicht mehr damit rechnen, dass diese noch ein Studium aufnimmt, meint der BGH. Damit entfalle auch seine Unterhaltsverpflichtung.
Nimmt ein Kind im Alter von 26 Jahren noch ein Studium auf, ohne seinen Vater hiervon vorher in Kenntnis zu setzen, so besteht kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Dies entschied am Mittwoch der Bundesgerichtshof (BGH) (Beschl. v. 03.05.2017, Az. XII ZB 415/16).
Mangelnde Zielstrebigkeit wollten der jungen Frau auch die BGH-Richter nicht vorwerfen. Nach ihrem Abitur im Jahr 2004 und einer vergeblichen Bewerbung um einen Medizin-Studienplatz hatte sie 2005 zunächst eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin begonnen, die sie drei Jahre danach abschloss. Anschließend arbeitete sie als solche, bevor sie für das Wintersemester 2010/2011 einen Medizin-Studienplatz zugewiesen bekam, den sie annahm.
Ihr Vater, der nie mit ihr oder ihrer Mutter zusammengelebt und sie im Alter von 16 Jahren zuletzt gesehen hatte, erfuhr erst durch eine Aufforderung des Studierendenwerks zur Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse vom Studium seiner inzwischen 26-jährigen Tochter.
Land verlangt nachträglich Unterhaltszahlungen
Nach ihrem Abitur hatte er ihr einen Brief geschrieben, in dem er ihr mitteilte, dass er nicht davon ausgehe, noch weiterhin Unterhalt zahlen zu müssen. Sollte dies anders sein, so solle sie sich bei ihm melden. Dies geschah in der Folge nicht, woraufhin er die Unterhaltszahlungen einstellte.
Im nun beendeten Rechtsstreit verlangte das Land Hessen, welches seiner Tochter Vorausleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gewährt hatte, die Zahlung von Ausbildungsunterhalt aus übergegangenem Recht. Das Amtsgericht (AG) Büdingen wies den Antrag auf Zahlung von insgesamt 3.452,16 Euro ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Landes zum Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Der für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des BGH gab nun ebenfalls dem beklagten Vater Recht. Eine Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt nach § 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) habe zum Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums nicht mehr bestanden.
Vater musste nicht mehr mit Studium seiner Tochter rechnen
Zwar umfasse der Kindesunterhalt auch die Ausbildungskosten. Diese seien auch nicht deswegen von der Unterhaltsverpflichtung ausgenommen, weil eine praktische Ausbildung "dazwischengeschaltet" war, sofern diese, wie im vorliegenden Fall, in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang zum angeschlossenen Ausbildungsgang stehe. Ebenso sei dem Gesetz keine feste Altersgrenze zu entnehmen. Vielmehr sei zur Feststellung einer Unterhaltspflicht stets eine Einzelfallwürdigung geboten.
Allerdings, so die Richter, müsse ein Unterhaltspflichtiger die auf ihn zukommenden Kosten absehen können. Brauche er in einer Situation nicht mehr damit zu rechnen, in Anspruch genommen zu werden, so entfalle seine Zahlungsverpflichtung. Denn zu seinen schützenswerten Belangen gehöre es, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern werde.
In diesem Fall habe er nicht mehr ohne Weiteres damit rechnen müssen, dass seine Tochter in ihrem Alter noch ein Studium aufnehmen werde, so der Senat. Zwar sei die längere Dauer zwischen Abitur und Studiumsbeginn für sich genommen kein Grund, dies auszuschließen. Allerdings sei er aufgrund der ausgebliebenen Antwort auf seinen Brief schützenswert in seinem Vertrauen darauf, dass künftig keine Unterhaltszahlungen mehr auf ihn zukommen würden. Aus diesem Grund habe er auch bereits längerfristige finanzielle Dispositionen in Form von Krediten treffen dürfen.
mam/LTO-Redaktion
BGH zum Anspruch auf Ausbildungsunterhalt: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22813 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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