Der BGH hat die Rechte der Kunden von Lebensversicherungen gestärkt. Nach dem am Mittwoch verkündeten Urteil können Kunden ihre Renten- und Lebensversicherungen auch noch nach Jahren widersprechen, wenn sie bei Vertragsschluss nicht umfassend über ihre Rechte aufgeklärt worden sind. Die Entscheidung betrifft zwischen 1994 und Ende 2007 abgeschlossene Altverträge.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch zugunsten eines Allianz-Kunden entschieden, der 1998 eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, jedoch nicht ausreichend über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt worden war. Aus diesem Grund sei es auch nach zehn Jahren noch möglich, den Vertrag zu widerrufen, urteilen die Richter. So könne der Kunde dem Grunde nach Rückzahlungen aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen (Urt. v. 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11).
Im Mittelpunkt des Streits stand die Regelung § 5a Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) der alten Fassung (a.F.), wonach die Widerspruchsfrist zwar erst mit vollständiger Aufklärung über dieses Recht zu laufen beginnt (Abs. 2 S. 2). Weiter heißt es jedoch in Abs. 2 S. 4, dass das Recht zum Widerspruch abweichend von dieser Regelung ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Und diese leistete der klagende Kunde bereits im Dezember 1998. Weil der IV. Zivilsenat dies schon vor zwei Jahren für bedenklich hielt, fragte er im März 2012 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach, ob diese Regelung mit EU-Recht vereinbar sei.
Prämien rechtsgrundlos gezahlt
Der EuGH entschied dann im Dezember des vergangenen Jahrs über diese Vorlagefrage (Urt. v. 19.12.2013, Az. C-209/12). Nach Ansicht der Luxemburger Richter steht das EU-Recht der deutschen Regelung entgegen. Konkret ging es um Art. 15 Abs. 1 S. 1 der Zweiten Lebensversicherungs-Richtlinie sowie um Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungs-Richtlinie. Der BGH hatte nun noch über die Folgen des EuGH-Urteils zu entscheiden - sowohl für den zugrundeliegenden als auch für vergleichbare Fälle. Betroffen sind Altverträge, die zwischen 1994 und Ende 2007 geschlossen wurden. Denn die streitige Fassung des VVG wurde zum 1. Januar 2008 durch eine neue ersetzt.
Der Kunde habe zwar keinen Anspruch auf Schadensersatz, so die BGH-Richter. Etwas anderes gelte jedoch für den Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diesen könne der Kläger grundsätzlich geltend machen, da er seine Prämien rechtsgrundlos gezahlt habe. Auch nach zehn Jahren habe der Kunde den Widerspruch noch rechtzeitig erklärt, somit sei der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen.
VVG a.F. "planwidrig unvollständig"
Die kritisch betrachtete Regelung im VVG a.F. sei eine "verdeckte Regelungslücke", erklärten die Richter. Denn eigentlich verfolge das Gesetz den Zweck, die EU-Richtlinien ordnungsgemäß in deutsches Recht umzusetzen. § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. habe aber in Widerspruch zu diesem Zweck gestanden, daher sei das Gesetz "planwidrig unvollständig" gewesen. Damit war es Sache des BGH, die Regelung richtlinienkonform zu reduzieren. Das bedeutet, dass das Widerspruchsrecht für jeden fortbesteht, der hierüber nicht belehrt worden ist.
Zur Höhe des Anspruch äußerten die Richter sich nicht. Das ist nun Sache des Berufungsgericht, des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart. Der BGH hat diesem jedoch mit auf den Weg gegeben, dass der Kläger nicht uneingeschränkt alle Prämien wird verlangen können. Denn er habe schließlich über Jahre hinweg Versicherungsschutz genossen, was auch als Vermögensvorteil angesehen werden müsse.
una/dpa/LTO-Redaktion
BGH zu Lebensversicherungen: . In: Legal Tribune Online, 07.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11900 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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