Wer sich bei Facebook anmeldet, gibt jede Menge Daten preis. Das Bundeskartellamt hält das für eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Der BGH bestätigte diese Auffassung nun vorläufig.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den vom Bundeskartellamt (BKartA) erhobenen Vorwurf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook vorläufig bestätigt. Die Karlsruher Richter entschieden, dass die Nutzungsbedingungen des sozialen Netzwerks geeignet seien, den Wettbewerb zu behindern. Der Kartellsenat hob damit eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf auf und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ab (Beschl. v. 23.06.2020, Az. KVR 69/19).
Facebook verwendet Nutzungsbedingungen, die auch die Verarbeitung und Verwendung von Nutzerdaten vorsehen. Allerdings geht es dabei nicht nur um Daten, die die Nutzer auf der Plattform selbst preisgeben – vielmehr werden auch Daten bei der von der Facebook-Plattform unabhängigen Internetnutzung erfasst. Diese Daten verwendet Facebook unter anderem für die Vermarktung von Werbeplätzen.
Das BKartA sah darin einen Verstoß gegen das Verbot nach § 19 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen.
Facebook sei, so das BKartA, auf dem nationalen Markt der Bereitstellung sozialer Netzwerke marktbeherrschend. Es missbrauche diese Stellung, indem es entgegen den Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die private Nutzung des Netzwerks von seiner Befugnis abhängig mache, ohne weitere Einwilligung der Nutzer außerhalb Plattform generierte nutzer- und nutzergerätebezogene Daten mit den personenbezogenen Daten zu verknüpfen, die aus der Facebook-Nutzung selbst entstehen.
Keine ernsthaften Zweifel an marktbeherrschender Stellung
Die Wettbewerbshüter hatten Facebook im Februar 2019 untersagt, die entsprechenden Nutzungsbedingungen zu verwenden und solche Daten ohne weitere Einwilligung der Nutzer zu verarbeiten. Über die dagegen eingelegte Beschwerde hat das OLG Düsseldorf noch nicht entschieden. Wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung ordnete das Gericht aber die aufschiebende Wirkung der Beschwerde an. Die Verfügung des BKartA darf somit bis zur Entscheidung über die Beschwerde nicht vollzogen werden.
Der BGH hob die Düsseldorfer Entscheidung nun aber auf und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Es bestünden weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke noch daran, dass Facebook diese Stellung mit den vom Kartellamt untersagten Nutzungsbedingungen missbräuchlich ausnutze, so der BGH.
Die vom BKartA in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten mit den Vorschriften der DSGVO in Einklang steht, hielt der Kartellsenat dafür allerdings nicht für maßgeblich. Entscheidend seien vielmehr die missbräuchlichen Nutzungsbedingungen.
Ausbeutung der Nutzer und Behinderung des Wettbewerbs
Die fehlende Wahlmöglichkeit darüber, ob auch außerhalb der Plattform preisgegebene Daten von Facebook verwendet werden dürfen oder nicht, beeinträchtige nicht nur die persönliche Autonomie der Nutzer und die Wahrung ihres – auch durch die DSGVO geschützten – Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. "Vor dem Hintergrund der hohen Wechselhürden, die für die Nutzer des Netzwerks bestehen ('Lock-in-Effekte'), stellte sie vielmehr auch eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer dar, weil der Wettbewerb wegen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook seine Kontrollfunktion nicht mehr wirksam ausüben kann", so der Kartellsenat.
Facebooks Nutzungsbedingungen seien schließlich auch geeignet, den Wettbewerb zu behindern. Der Zugang von Facebook auf eine erheblich größere Datenbasis verstärke die ohnehin schon ausgeprägten Lock-in-Effekte weiter. Die größere Datenbasis verbessere außerdem die Möglichkeiten der Finanzierung mit den Erlösen aus Werbeverträgen, die laut BGH ebenfalls von Umfang und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten abhängt.
BKartA-Präsident Andreas Mundt zeigte sich nach der Entscheidung erfreut. "Daten sind ein entscheidender Faktor für wirtschaftliche Macht und für die Beurteilung von Marktmacht im Internet", so Mundt. Die Entscheidung gebe dem Kartellamt wichtige Hinweise, wie mit dem Thema Daten und Wettbewerb umgegangen werden solle. Weiter sagte Mundt: "Wenn Daten rechtswidrig gesammelt und verwertet werden, muss ein kartellrechtlicher Eingriff möglich sein, um den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern."
acr/LTO-Redaktion
BGH bestätigt BKartA: . In: Legal Tribune Online, 23.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41984 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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