In einem am Donnerstag veröffentlichen Urteil hat der BGH klar gestellt, dass ein Brillenvertriebsunternehmen nicht für ein Vertriebssystem unter Einbeziehung von Augenärzten werben darf, wenn diesen finanzielle Vorteile in Aussicht gestellt werden.
Das Unternehmen wollte in Deutschland ein Vertriebssystem für Brillen unter Einbeziehung von Augenärzten etablieren. Dabei bekam der Arzt ein Brillensortiment zur Verfügung gestellt ebenso wie ein Computersystem zur individuellen Brillenanpassung. Darüber sollten dann Patientendaten sowie ein vom Patienten ausgewähltes Brillengestell eingegeben und anschließend die Daten an das Vertriebsunternehmen gesendet werden. Bei Bestellung in der Arztpraxis sollte der Augenarzt 80,- Euro bei einfach verglasten und 160,- Euro bei Mehrstärkenbrillen erhalten.
Nachdem das Unternehmen dieses System gegenüber Augenärzten bewarb, beantragte die Wettbewerbszentrale sowohl die Unterlassung der Zurverfügungstellung des Systems und der Musterkollektionen als auch der entsprechenden Werbung für dieses System. Das OLG Stuttgart gab der Klage statt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil nun vollumfänglich bestätigt und in den aktuell vorgelegten Entscheidungsgründen vor allem hervorgehoben, dass es eine unangemessene und unsachliche Einflussnahme auf die ärztliche Behandlungstätigkeit darstellt, wenn dem Arzt finanzielle Vorteile in Aussicht gestellt werden und dadurch darauf hingewirkt wird, dass Ärzte entgegen ihren Verpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag und dem ärztlichen Berufsrecht nicht allein anhand des Patienteninteresses entscheiden, ob sie einen Patienten an bestimmte Anbieter von Sehhilfen verweisen (Urt. v. 24.06.2010, Az. I ZR 182/08 - Brillenversorgung II).
Damit knüpft der BGH an die Entscheidung Brillenversorgung I aus dem Vorjahr (vom 9.07.2009, Az. I ZR 13/07) an, in der er ebenfalls klarstellte, dass die ärztliche Verweisung beziehungsweise die Beteiligung des Arztes an der Abgabe von Hilfsmitteln auch bei angemessener Beachtung des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG stets die Ausnahme sein muss und hiervon lediglich im Einzelfall bei Vorliegen eines hinreichenden Grundes für die Zuweisung eines Patienten abgewichen werden darf.
Mit dieser Entscheidung stellt der Senat nun klar, dass auch die Werbung für ein solches Vertriebssystem unlauter ist, weil das werbende Unternehmen einen Anreiz für die Ärzte setzt, nicht allein anhand das Patienteninteresses zu entscheiden, ob sie einen Patienten an einen bestimmten Anbieter gesundheitlicher Leistungen verweisen (verkürzter Versorgungsweg).
BGH: . In: Legal Tribune Online, 30.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1109 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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