Nach dem LG und dem OLG Köln hat nun auch der BGH mit der umstrittenen Veröffentlichung des Glyphosat-Gutachtens zu tun gehabt. Es ging um einen juristischen Kniff, der umgangssprachlich als "Zensurheberrecht" bekannt geworden ist.
Nach einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und der Online-Plattform "FragDenStaat" hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun die Beschwerde des BfR gegen die Nichtzulassung der Revision abgewiesen (Beschl. v. 27.01.2022, Az. I ZR 84/21). Damit ist das Urteil des OLG Köln aus dem Jahr 2021 rechtskräftig: Die Internetplattform durfte das von Beamten erstellte Gutachten zu Krebsrisiken beim Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat veröffentlichen. Das Urheberrecht der Bundesregierung wurde dadurch nicht verletzt.
Die 2011 gegründete Informationsplattform FragDenStaat, die zur Open Knowledge Foundation Deutschland gehört, hatte das Gutachten im Jahr 2018 nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten und ohne Zustimmung der Behörden im Netz publiziert. Bis zuletzt hatte das BfR versucht, sich gerichtlich gegen die Veröffentlichung zu wehren.
Der Fall prägte den Begriff des "Zensurheberrechts", wie der juristische Kniff des klagenden BfR umgangssprachlich genannt wird. Gemeint sind damit Konstellationen, in denen öffentliche Stellen unter Verweis auf das Urheberrecht versuchen, die Veröffentlichung bestimmter Unterlagen oder Dokumente zu verhindern.
Gerichte: Zitatrecht ermöglicht Veröffentlichung
"Wir erleben regelmäßig, dass Behörden sich auf das angebliche Urheberrecht berufen, wenn sie ihre Transparenzpflichten umgehen und die Veröffentlichung von Dokumenten verhindern wollen. Dieser Praxis – das Urheberrecht zu einem Zensururheberrecht zu machen – hat der Bundesgerichtshof nun einen Riegel vorgeschoben", so Arne Semsrott, Projektleiter von FragDenStaat.
In dem drei Jahre langen Rechtsstreit hatte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zunächst noch die Bundesregierung Erfolg. Das Landgericht (LG) Köln wies jedoch im Hauptsacheverfahren eine Unterlassungsklage des Bundesinstituts ab (Urt. v. 12.11.2020, Az. 14 O 163/19). Das Gericht argumentierte damals, dass zugunsten der Plattform die Schranke des Zitatrechts aus § 51 UrhG greife. Das Gutachten sei mit Antragsgewährung im Rahmen des Verfahrens nach §§ 1 ff IFG veröffentlicht im Sinne des § 12 UrhG, hieß es. Außerdem sei es spätestens mit Veröffentlichung der Allgemeinverfügung als amtliches Werk im Sinne des § 5 Abs. 2 UrhG zu qualifizieren, so das LG Köln.
Ebenso urteilte das OLG Köln im Jahr 2021, dass die Veröffentlichung des Glyphosat-Gutachtens durch die Plattform keine Urheberrechtsverletzung darstelle (Urt. v. 12.05.2021, Az. 6 U 146/20). Damit bestätigte das Gericht das Urteil des LG Köln. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die vor dem Bundesgerichtshof erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde nun vom BGH abgewiesen. Das Karlsruher Gericht sah keine Sache von grundsätzlicher Bedeutung und vermochte auch keine Rechtsfehler der Vorinstanz zu erkennen.
sl/LTO-Redaktion
BGH weist Nichtzulassungsbeschwerde ab: . In: Legal Tribune Online, 30.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47987 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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