Prozessbevollmächtigte müssen, wenn sie eine Frist voll ausschöpfen, alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um sie zu wahren. Auch wer am letzten Tag plötzlich erkrankt, kann zumindest noch einen Fristverlängerungsantrag stellen, entschied kürzlich der BGH. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes reichte den Richtern nicht.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf bestätigt. Demnach muss ein Prozessbevollmächtigter neben der ärztlich bescheinigten Krankheit zusätzlich glaubhaft machen, warum er gehindert war, eine Fristverlängerung zu beantragen. Die OLG-Richter hielten es für zumutbar, einen entsprechenden Antrag trotz bescheinigter Arbeitsunfähigkeit zu stellen. Der betroffene Rechtsanwalt sei schließlich auch in der Lage gewesen, eine Arztpraxis aufzusuchen. Dieser Ansicht folgte der BGH, wie der am Montag veröffentlichte Beschluss zeigt (Beschl. v. 22.10.2014, Az. XII ZB 257/14).
Die Mandantin der Anwalts, die eine Familienstreitigkeit vor Gericht ausführt, erwartete von den Karlsruher Richtern, dass sie den strittigen Beschluss des OLG für rechtswidrig erklären. Das OLG hatte ihr damit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist versagt. Ursprünglich wollte sich die Frau gegen einen stattgegebenen Zahlungsantrag zugunsten der gegnerischen Partei wenden. Ihr Rechtsanwalt versäumte es aber, die Beschwerde im Rahmen der hierfür geltenden Frist zu begründen. Am letzten Tag der Frist sei er so schwer erkrankt gewesen, dass er auch eine Fristverlängerung nicht selbst habe beantragen können, argumentierte dieser. Für einen solchen Fall sei seine Mitarbeiterin in der Kanzlei zwar stets angewiesen, einen seiner Kollegen mit der Sache zu betrauen. Hier habe die Kanzleiangestellte aber schlicht vergessen, die Frist in diesem Fall zu kontrollieren. Dies sei letztlich ein der Beschwerdeführerin zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, entschied das OLG.
Arbeitsunfähig ist nicht handlungsunfähig
Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob das OLG davon ausgehen durfte, dass ein ärztliches Attest allein, welches die Arbeitsunfähigkeit des Anwalts bescheinigt, nicht ausreicht, um glaubhaft zu machen, dass er die Fristverlängerung nicht habe beantragen können. Das OLG war der Ansicht, der Anwalt hätte trotz Seitenstrangangina mit hohem Fieber zumindest auch in seine Kanzlei fahren und einen Fristverlängerungsantrag unterschreiben können. Er sei schließlich auch in der Lage gewesen, die nur zwei Kilometer von seiner Kanzlei entfernte Arztpraxis aufzusuchen.
So sah es auch der BGH. Zwar müsse sich kein Rechtsanwalt auf den hypothetischen Fall einer plötzlichen Krankheit vorbereiten, auch wenn er die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft. Allerdings müsse man dann von ihm verlangen, dass er alle ihm noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreift, um eine Fristverlängerung zu erreichen. Ein krankheitsbedingter Ausfall eines Rechtsanwalts am letzten Tag rechtfertigt für sich genommen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch nicht, so die Richter. Hinzu müsse kommen, dass infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet oder Fristverlängerung gestellt werden kann.
Hier sei der Anwalt zwar laut Attest arbeitsunfähig gewesen. "Lediglich Arbeitsunfähigkeit" sei jedoch nicht ausreichend. Insbesondere behandele das Attest nicht die Frage, ob es dem Anwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht einmal möglich war, den Antrag zu stellen.
una/LTO-Redaktion
BGH zu krankem Anwalt: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13837 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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