Die Karlsruher Richter sind sich unsicher, ob man online bestellte Matratzen nach Öffnen der Versiegelung aus hygienischen Gründen wieder zurückgeben kann. Deshalb stellen sie ihre offenen Fragen nun den Luxemburger Kollegen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom Mittwoch zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschl. v. 15.11.2017, Az. VIII ZR 194/16). Im Kern geht es in dem Verfahren darum, ob bei online gekauften Matratzen aus hygienischen Gründen nach § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Widerrufsrecht besteht oder eben nicht.
Der klagende Mann hatte bei einem Online-Versandhändler eine Matratze bestellt, die bei Auslieferung mit einer Schutzfolie versehen war. Er entfernte diese nach Erhalt und teilte dem Versandhändler wenige Tage später mit, dass er die Ware leider zurücksenden müsse und der Rücktransport durch eine Spedition veranlasst werden solle. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung allerdings nicht nach, woraufhin der Mann selbst einen Transporteur beauftragte.
Seine Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Rücksendekosten in Höhe von insgesamt 1.190,11 Euro hatte in den beiden Vorinstanzen Erfolg gehabt. Sowohl das Amtsgericht Mainz (Urt. v. 26.11.2015, Az. 86 C 234/15) als auch das Landgericht Mainz (Urt. v. 10.08.2016, Az. 3 S 191/15) gingen davon aus, dass das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen sei, nur weil der Mann nach Anlieferung der Matratze die Schutzfolie entfernt hatte.
Tendenz des BGH widerspricht dem EU-Leitfaden
Der Karlsruher Senat selbst tendiert dazu, von einem bestehenden Widerrufsrecht des Käufers auszugehen. Er glaubt nämlich, dass die mit § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB inhaltsgleiche Norm aus der europäischen Verbraucherrichtlinie (Art. 16 Buchst. e) so auszulegen ist, dass Matratzen nicht zu den vom Widerruf ausgenommenen Waren zählen.
Nach seiner Überlegung könnten Matratzen nämlich vielmehr zu der Art von Waren gehören, die zwar bei bestimmungsgemäßem Gebrauch mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen, aber durch geeignete (Reinigungs-)Maßnahmen des Unternehmers wenigstens wieder als gebrauchte Sache verkehrsfähig gemacht werden können - wenn auch möglicherweise mit Werteinbußen, die der Unternehmer allerdings kalkulieren könne.
Diese Einschätzung der Karlsruher steht allerdings im Widerspruch zum Leitfaden der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission, der als Beispiel für das Eingreifen des Ausnahmetatbestands gemäß Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrichtlinie neben Kosmetika auch explizit die Auflegematratze nennt. Die erste Frage des BGH dreht sich damit um die europarechtskonforme Auslegung der Verbraucherrichtlinie.
Für den Fall, dass die Luxemburger Richter mit der Auffassung des BGH d'accord gehen sollten, wollen die Karlsruher ferner wissen, wie die Verpackung einer Ware beschaffen sein muss, um als "Versiegelung" zu gelten. Ebenfalls in dieser zweiten Frage bittet der BGH um Antwort darauf, wie ein korrekter Hinweis über das Erlöschen des Widerrufsrechts ausgestaltet sein muss.
Marcel Schneider, BGH legt EuGH zum Online-Kauf vor: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25539 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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