Der BGH hat zum ersten Mal eine Verurteilung wegen der Ausreise zum Zweck einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat bestätigt. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen Norm hatte der Senat nicht.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung eines 27-jährigen deutschen Staatsbürgers bestätigt, der versucht hatte, nach Syrien auszureisen, um dort für eine islamistische Gruppierung an Kampfhandlungen teilzunehmen (Beschl. v. 06.04.2017, Az. 3 StR 326/16). Es ist die erste Verurteilung nach dem neuen § 89a Strafgesetzbuch (StGB), die vor den Karlsruher Richtern besteht.
Die 2009 eingeführte Norm war im Jahr 2015 um den Absatz 2a ergänzt worden, um in Fällen wie diesem bereits die bloße Ausreise zum Zweck einer terroristischen Tat bestrafen zu können und damit auch den Sicherheitsbehörden mehr Zugriffsmöglichkeiten zu geben. Experten hatten aufgrund der deutlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit vor die eigentliche Rechtsgutsbeeinträchtigung von Anfang an Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit gehabt.
Die Richter des 3. Strafsenats des BGH teilten derlei Bedenken in der nun veröffentlichten Entscheidung allerdings nicht. Es bestünden "keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm", heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte man die Frage gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen müssen.
Bereits im Jahr 2014, also vor seiner Änderung, hatte der BGH den Straftatbestand gebilligt. Jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Täter zu seiner Ausreise "fest entschlossen" gewesen sei (Urt. v. 08.05.2014, Az. 3 StR 243/13).
BGH: Versuch der Vorbereitung der Vorbereitung
In der aktuellen Entscheidung erklärten die Richter nun, bei der Ausreise handele es sich "faktisch um den Versuch der Vorbereitung zur Vorbereitung" einer staatsgefährdenden Gewalttat. Daher sei die Regelung "durchaus im Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen" anzusiedeln. Allerdings sei die Ausreise oft die letzte Möglichkeit, potenzielle Gewalttäter noch zu erreichen, bevor sie sich weiter radikalisierten und in brutal vorgehende Organisationen verstrickten. Dieser Erwägung des Gesetzgebers trug man mit der Entscheidung Rechnung.
Die Voraussetzungen des Straftatbestandes sahen die Richter im vorliegenden Fall als erfüllt an. Der Angeklagte, der einer extremistisch-islamischen Ideologie anhängt, reiste nach den Feststellungen des Landgerichts (LG) München I (Urt. v. 19.05.2016, Az. 2 KLs 111 Js 169510/15) im Jahr 2015 schon einmal in die Türkei ein und versuchte dies anschließend ein weiteres Mal, um sich von dort jeweils weiter nach Syrien zu begeben. Dort wollte er sich im Umgang mit Waffen und Sprengstoffen ausbilden zu lassen, um dann für eine islamistische Gruppierung gegen den syrischen Staat zu kämpfen.
Am Flughafen in München wurde er sodann festgenommen. Er hatte ein One-Way-Ticket sowie zwei Handys und eine Outdoor-Ausrüstung bei sich. Bei seiner Verhaftung hatte er auch bereits eingecheckt, worin die Karlsruher Richter eine ausreichende Grundlage erkannten, um einen ernsthaften Ausreiseversuch anzunehmen.
So sah der Senat die Voraussetzungen für die Strafbarkeit nach § 89a Abs. 2a StGB in Verbindung mit § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB gegeben und bestätigte den Schuldspruch sowie die Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und sechs Monaten. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
mam/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Keine Zweifel an Verfassungsmäßigkeit von § 89a StGB: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23855 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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