An Ostern 2019 liefern sich zwei Männer ein illegales Autorennen in einem Wohngebiet. Eine daran unbeteiligte Frau kommt ums Leben. Zweimal schon war der Fall am BGH, doch damit ist noch nicht Schluss.
Zum dritten Mal muss ein Landgericht über die Strafbarkeit des hauptverantwortlichen Fahrers eines tödlichen Autorennens in Moers westlich von Duisburg befinden. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob am Donnerstag auch das zweite Urteil des Landgerichts (LG) Kleve gegen den Mann wegen Widersprüchen in der Begründung teilweise auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an das LG Duisburg (Urt. v. 16.01.2023, Az. 4 StR 211/22). Es geht vor allem darum, wie der Fahrer die Gefahrenlage eingeschätzt hatte.
Am Ostermontag 2019 hatten sich zwei Männer gegen 22.00 Uhr mit PS-starken Autos in einem Wohngebiet ein illegales Rennen geliefert. Dabei beschleunigte der Angeklagte binnen Sekunden auf mehr als 160 Kilometer pro Stunde – und das auf der Gegenfahrbahn. Als eine 43 Jahre alte Frau etwa 100 Meter weiter vorn in ihrem Kleinwagen auf die Straße einbog, konnte er nicht mehr stoppen oder ausweichen. Die Frau erlitt beim Aufprall schwere Verletzungen, denen sie im Krankenhaus erlag.
So gut wie unverletzt floh der Verursacher, der es nie durch die theoretische Führerscheinprüfung geschafft hatte, von der Unfallstelle und tauchte unter. Erst eine Woche später stellte er sich der Polizei, als bereits eine öffentliche Fahndung lief. Das LG Kleve verurteilte den damals 22-Jährigen 2020 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
Staatsanwaltschaft und Nebenkläger wollen Verurteilung wegen Mordes
Dieses Urteil hob der BGH auf, weil der Tötungsvorsatz nicht gut genug begründet war. Denn die Raser waren auf einer Vorfahrtsstraße unterwegs gewesen. Es war deshalb nicht ganz auszuschließen, dass der Angeklagte darauf vertraute, dass querende Autos anhalten würden.
Im zweiten Anlauf verhängte das LG vier Jahre Haft wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge. In subjektiver Hinsicht gelang das LG Kleve zur Überzeugung, dass der Angeklagte mit bedingtem Gefährdungsvorsatz, nicht aber mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Dagegen gingen Staatsanwaltschaft und die Familie des Opfers jetzt am BGH vor. Sie wollen erreichen, dass der Mann wegen Mordes verurteilt wird.
Der vierte Strafsenat am BGH hat auch das zweite Urteil des LG nun mit den Feststellungen zur inneren Tatseite aufgehoben. Die Beweiserwägungen, mit denen das LG die Annahme des bedingten Tötungsvorsatzes abgelehnt hat, seien nicht mit den Erwägungen vereinbar, mit denen es bedingten Gefährdungsvorsatz im Sinne des § 315d Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) begründet hat.
BGH bemängelt widersprüchliche Beweiserwägungen
Der BGH bemängelte, dass das LG einerseits annahm, dass der Angeklagte nicht ausschließbar darauf vertraut habe, dass eine Kollision mit anderen Fahrzeugen ausbleiben werde, weil diese "grundsätzlich, wenn auch eingeschränkt" in der Lage sein würden, sein äußerst riskantes Fahrverhalten zu erkennen und sich auf die hieraus ergebende Gefahrenlage einzustellen. Bei der Annahme des bedingten Gefährdungsvorsatzes habe das LG andererseits ausgeführt, dass der Angeklagte mit einer Kollision mit Verkehrsteilnehmern gerechnet habe. "Diese nicht widerspruchsfrei miteinander vereinbaren Beweiserwägungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten begründeten einen Rechtsfehler, der sich zu Ungunsten und zu Gunsten des Angeklagten auswirkte und die Urteilsaufhebung mit den Feststellungen zur subjektiven Tatseite nach sich zog", so der BGH in einer Mitteilung.
Die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt können laut BGH dagegen bestehen bleiben. Den zweiten Raser, der nicht direkt an dem Unfall beteiligt war, hatte das LG zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
BGH zu Raser-Fall aus Moers: . In: Legal Tribune Online, 16.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51088 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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