Der BFH sieht die von Finanzprüfern immer häufiger angewandte Methode des Zeitreihenvergleichs kritisch. Jetzt haben die Richter in München entschieden, unter welchen Voraussetzungen sie zum Einsatz kommen darf.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit der Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs befasst und festgelegt, unter welchen Voraussetzungen sie zum Einsatz kommen darf. Damit einhergehend haben die Richter ein vorinstanzliches Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster aufgehoben.
In dem Münsteraner Fall ging es um den Gastronomiebetrieb eines Ehepaares. Das Finanzamt hatte sich mit der Steuerpflicht aus dem Betrieb im Rahmen einer so genannten Außenprüfung - also eine Prüfung im Außendienst - befasst. Im Ergebnis wurde die Kassenführung beanstandet und schließlich zu dem erklärten Erlös ein nicht unwesentlicher Betrag hinzugeschätzt. Diese Schätzung stützte sich auf den so genannten Zeitreihenvergleich.
Anhand dieser Methode können Finanzprüfer die Besteuerungsgrundlage eines Betriebs, dem es an vollständigen Belegen der Ein- und Ausgaben fehlt, schätzen. Dabei werden die jährlichen Erlöse und Wareneinkäufe des Betriebs in Wocheneinheiten zerlegt. Für jede Einheit wird dann das Verhältnis zwischen Erlösen und Einkäufen ermittelt (Rohgewinnaufschlagsatz). Anschließend wird angenommen, dass der höchste Aufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zeitraum von zehn Wochen ergibt, auf das gesamte Jahr angewandt werden kann. Durch diesen Vorgang kommt es bei Betrieben oft zu erheblichen Hinzuschätzungen. So auch bei dem klagenden Ehepaar, für dessen Betrieb die Prüfer für das Streitjahr 2003 einen zusätzlichen Betrag von 35.000 Euro ermittelt hatten.
BFH hebt vorinstanzliches Urteil auf
Das FG bestätigte dieses Vorgehen. Beim Zeitreihenvergleich handele es sich um eine geeignete Schätzungsmethode, auf die das zuständige Finanzamt zurückgreifen dürfe, so die Begründung. Die Gastronomie-Betreiber hatten dagegen bemängelt, dass der beliebig ausgewählte Zehn-Wochen-Zeitraum nicht immer die wöchentlichen Schwankungen beim Einkauf ausgleichen könne. Selbst wenn dies bei frischen Lebensmitteln denkbar sei, so gelte dies sicherlich nicht für alkoholische Getränke, die stets auf Vorrat und nicht regelmäßig gekauft würden, so der Einwand. Der geschätzte Betrag sei daher zu hoch. Außerdem sei durch das Ergebnis der Schätzung nicht belegt, dass ihnen materielle Buchungsfehler, wie das Fehlen einer Inventur, unterlaufen seien.
Auf die Revision des klagenden Ehepaares hin hat der BFH das Urteil aus Münster nun aufgehoben und die Sache zurückverwiesen (Urt v. 25.03.2015, Az. X R 20/13). Zwar sei die Buchführung der Kläger formell mangelhaft gewesen, weil die Tagesendsummenbons unvollständig oder nicht datiert gewesen seien. Weil es aufgrund eines formellen Mangels keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung gebe, sei eine Hinzuschätzung auch grundsätzlich möglich, so die Richter.
Der Zeitreihenvergleich sei aber ungeeignet, um etwaige materielle Mängel nachzuweisen. Hierfür müsse das Finanzamt zu anderen Schätzungsmethoden greifen, betonten die Richter. Das Ergebnis eines Zeitreihenvergleichs dürfe jedenfalls nicht unbesehen übernommen werden, sondern allenfalls einen Anhaltspunkt für eine Hinzuschätzung liefern. Darüber hinaus sei ein Zeitreihenvergleich nur möglich, wenn das Verhältnis zwischen Erlösen und Wareneinkäufen im Betrieb über das ganze Jahr weitgehend konstant sei.
In diesem Zusammenhang hat der BFH ferner entschieden, dass beim Einsatz eines programmierbaren Kassensystems bereits das Fehlen der hierfür aufbewahrungspflichtigen Unterlagen (Betriebsanleitung, Programmierprotokolle) einen formellen Mangel der Buchführung darstellt, der grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt.
una/LTO-Redaktion
BFH zur Zulässigkeit des Zeitreihenvergleichs: . In: Legal Tribune Online, 22.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16323 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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