Die zahlreichen Flüchtlinge in Deutschland stellen die Verwaltungsgerichte vor eine enorme Herausforderung. Die Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte haben nun einen Hilferuf an die Politik gerichtet. Es ist nicht der erste.
Bei den Verwaltungsgerichten in Deutschland sind in den ersten sechs Monaten des Jahres rund 202.000 Asylverfahren eingegangen. Im gesamten Jahr 2016 seien es nur 182.000 gewesen, teilte die Sprecherin des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (OVG), Anne Groß, am Montag mit. "Der Zuwachs von Asylverfahren ist schon enorm", sagte sie. Mit Blick auf die aktuelle Situation fügte sie hinzu: "Nach unserem Eindruck sinken die Eingangszahlen." Der aufgelaufene Bestand an Asyl- und anderen Verfahren habe sich jedoch von 204.000 Ende 2016 auf 324.000 zum Ende des ersten Halbjahrs 2017 erhöht.
Angesichts der Überlastung der Gerichte forderten die Präsidenten der deutschen Oberverwaltungsgerichte auf ihrer Jahrestagung am Wochenende in Hamburg Reformen zur Beschleunigung der Verfahren. "Das bestehende Prozessrecht im Asylverfahren fördere eine in diesem Maße nicht mehr hinnehmbare Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung", erklärte der Präsident des OVG Hamburg, Friedrich-Joachim Mehmel. Außerdem müssten die Gerichte personell und sachlich besser ausgestattet werden.
Vor allem in der Frage, ob syrische Kriegsflüchtlinge ein Recht auf den Asylstatus hätten, gebe es in den Bundesländern unterschiedliche Entscheidungen, sagte Groß. In Bayern und Baden-Württemberg werde dies bejaht, in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz dagegen verneint. Ein anerkannter Asylbewerber hat Anspruch auf Familiennachzug, ein Kriegsflüchtling mit sogenanntem subsidiärem Schutz nicht.
Das BVerwG kann nicht für Rechtssicherheit sorgen
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) darf bislang diese Fragen inhaltlich nicht klären. Es ist nur für Rechtsfragen zuständig, nicht für Tatsachenfeststellungen wie die nach der spezifischen Situation, der eine Einzelperson in einem bestimmten Landstrich in Syrien ausgesetzt ist. Darum träfen die 15 Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe jeweils eigene Entscheidungen, sagte die Sprecherin.
Ähnlich hatte auch der Vorsitzende des Bundesverbands der Verwaltungsrichter im Interview mit LTO argumentiert. Das aktuelle Rechtsmittelrecht sowie das spezielle Prozessrecht des Asylrechts verhinderten, dass das BVerwG Rechtseinheitlichkeit schaffen könne, so Dr. Robert Seegmüller, der selbst seit 2015 Richter am höchsten deutschen Verwaltungsgericht ist, im Mai dieses Jahres.
OVG-Sprecherin Groß erklärte nach der Jahrestagung in Hamburg zudem, zur Beschleunigung der Verfahren könne auch beitragen, wenn in Eilverfahren Beschwerden zugelassen würden. Dann bräuchten diese nicht erst in den Hauptsacheverfahren geklärt zu werden.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Nach Jahrestagung in Hamburg: . In: Legal Tribune Online, 09.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24919 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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