Mehr Befugnisse für Behörden, weniger Vorwarnung für Betroffene und längerer Ausreisegewahrsam: Die Bundesregierung will die Regeln für Abschiebungen verschärfen. Doch in den Reihen der eigenen Koalition regt sich Unmut.
Die Bundesregierung will Abschiebungen aus Deutschland stärker vorantreiben. Wie geplant, verabschiedete das Kabinett am Mittwoch in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Wir sorgen dafür, dass Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen", erklärte Faeser. Um das Grundrecht auf Asyl zu schützen, müsse irreguläre Migration deutlich begrenzt werden.
Im "Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung" vorgesehen ist unter anderem, die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern. Ferner sind erweiterte Befugnisse von Behörden sowie ein härteres Vorgehen gegen Schleuser geplant. Mit dem Gesetz, das noch vom Bundestag verabschiedet werden muss, will die Bundesregierung die Zahl kurzfristig gescheiterter Abschiebungen reduzieren. Zu dem Bündel an Maßnahmen sagte Faeser: "Das ist notwendig, damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen, wie zum Beispiel auch die 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine."
Laut dem Entwurf für das Rückführungsverbesserungsgesetz sollen Behördenmitarbeiter auf der Suche nach Abzuschiebenden in Gemeinschaftsunterkünften auch die Räume Dritter betreten dürfen. Zudem sollen Personen, die mehr als ein Jahr geduldet waren, bevor die Duldung widerrufen wurde, ohne Ankündigung abgeschoben werden können – es sei denn die Person hat ein Kind von unter zwölf Jahren.* Bei anderen Personen ist das schon jetzt der Normalfall.
Mitglieder krimineller Vereinigungen sollen künftig leichter ausgewiesen werden können. Besonders wichtig sei es ihr, Straftäter und Gefährder konsequenter abzuschieben, sagte Faeser. Mit Gefährdern sind Menschen gemeint, denen die Sicherheitsbehörden schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutrauen. Wohnungen sollen nach Datenträgern und Unterlagen durchsucht werden dürfen, um die Identität und Staatsangehörigkeit Betroffener zu klären. Um die Behörden zu entlasten, soll der Aufenthalt in Deutschland während des Asylverfahrens für jeweils sechs statt bisher nur drei Monate genehmigt werden. Auch anderen Gruppen soll der Aufenthalt für jeweils längere Zeiträume genehmigt werden.
Union und AfD: "Ungezügelten Zustrom bremsen"
Faeser zielt mit ihrem Gesetzentwurf auf einen konsequenteren Vollzug von Abschiebungen. Zwischen Januar und Juni dieses Jahres gab es nach einer Auskunft der Bundesregierung an die Linksfraktion insgesamt 7.861 Abschiebungen aus Deutschland. Im Vorjahreszeitraum waren es nach einer Angabe aus dem vergangenen Jahr 6.198 Abschiebungen. Am 30. Juni waren insgesamt 279.098 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Die meisten von ihnen (224.768) waren aber geduldet und können nicht abgeschoben werden. Gründe dafür können Krankheiten, familiäre Bindung, eine Berufsausbildung oder fehlende Papiere sein. Oft fehlt es aber auch an Kooperationsbereitschaft in den Herkunftsländern.
Sowohl aus der Opposition als auch von Flüchtlingsverbänden kam Kritik an den Plänen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), begrüßte den Abbau von Hürden für Abschiebungen. Er merkte aber an: "Entscheidend ist, den ungezügelten Zustrom der Asylmigration auszubremsen." Unerlaubte Einreisen nach Deutschland und Europa müssten reduziert werden. Die Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Bundestag, Alice Weidel und Tino Chrupalla, bemängelten: "Solange illegale Migranten nicht konsequent an den Grenzen zurückgewiesen, sondern mit hohen Sozialleistungen, unbegrenztem Familiennachzug und vereinfachten Aufenthaltsregeln wie mit einem Migrationsmagneten auch noch angelockt werden, sind die vorgestellten Korrekturen an den Abschieberegeln bloße Symbolpolitik."
Pro Asyl: "Abschiebehaft oft rechtswidrig"
Pro Asyl kritisierte, die Bundesregierung opfere die Rechte der Betroffenen dem "rechtspopulistischen Diskurs". "Verschärfte Abschiebungsregeln werden kaum dazu führen, dass nennenswert mehr Menschen abgeschoben werden, aber sie führen zu noch mehr Härte und Verletzungen der Grundrechte. Schon jetzt ist jede zweite Abschiebungshaft rechtswidrig, schon jetzt werden Familien getrennt und Kinder nachts aus dem Schlaf gerissen", so die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl Wiebke Judith.
In den Reihen der Grünen gibt es erhebliche Skepsis mit Blick auf die Pläne. Die Fraktion werde "verfassungs- und europarechtliche Bedenken" in den Beratungen im Bundestag zur Sprache bringen, sagte die Abgeordnete Filiz Polat der Deutschen Presse-Agentur. Sie sprach von "unverhältnismäßigen Eingriffen in die Grundrechte auf Freiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung und Privatsphäre".
Angesprochen auf solche Vorbehalte verwies Faeser auf die Zustimmung auch grüner Ministerinnen und Minister. "Das ist ja kein Faeser-Beschluss heute, sondern ein Beschluss des Bundeskabinetts."
Kanzler Scholz will Bund-Länder-Einigung bis zum 6. November
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann betonte, in den nun folgenden Beratungen würden für die Grünen rechtsstaatliche Fragen und der Schutz von Kindern und Familien besonders im Vordergrund stehen. "Die Debatte darum sollte allerdings nicht davon ablenken, dass die meisten Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, vor Krieg und Terror fliehen und einen Anspruch auf Schutz haben." Deshalb sei es wichtig, beim Abbau von Arbeitsverboten voranzukommen. Ein Beschluss dazu ist laut Faeser in der kommenden Woche geplant.
FDP-Vertreter begrüßten Faesers Pläne, pochten aber auf weitere Schritte. Fraktionschef Christian Dürr forderte, "falsche Anreize" zu stoppen, damit weniger Menschen nach Deutschland kämen. Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz müssten die Länder die Umstellung von Bargeld auf Bezahlkarten für Asylbewerber beschließen. "Insbesondere von der Union erwarte ich hier ein klares Signal."
Bereits vor dem Kabinettsbeschluss forderte Bundeskanzler Olaf Scholz den CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz in einem Brief auf, bei den CDU-geführten Ländern und in seiner Fraktion um Unterstützung des Gesetzespakets zu werben, damit es noch in diesem Jahr verabschiedet werden könne. "Das Problem lässt sich in der Tat nur im engen Schulterschluss lösen – mit unseren europäischen Partnern und allen föderalen Ebenen unseres Landes", heißt es in dem Schreiben, das auf Montag datiert ist. Es sei ihm wichtig, dass es über das Gesetzespaket beim Bund-Länder-Gipfel am 6. November zu konkreten Verabredungen zur Regelung der Migration komme.
dpa/mk/LTO-Redaktion
* Dieser Satz wurde am 26.10.2023, 14:57 Uhr nachträglich klargestellt und präzsisiert. (Red.)
Gesetz zur Verbesserung der Rückführung: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52991 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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