GBA-Anklage gegen drei Thüringer Rechtsextreme: Ter­r­o­risten oder ein­fach "nur" kri­mi­nell?

von Hasso Suliak

19.09.2024

Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen drei Männer aus dem Kreis der berüchtigten, rechtsextremen Kampfsportgruppe "Knockout 51" erhoben. Vorwurf: Mitgliedschaft und Unterstützung einer kriminellen und terroristischen Vereinigung.

Der Staatsschutzsenat des Thüringer Oberlandesgerichts (OLG) in Jena wird sich bald erneut mit Rechtsextremen der berüchtigten Eisenacher Kampfsportgruppe "Knockout 51" befassen. Die Bundesanwaltschaft (GBA) teilte am Donnerstag mit, dass sie am 6. September 2024 Anklage gegen zwei mutmaßliche Mitglieder und einen Unterstützer einer rechtsextremistischen kriminellen und terroristischen Vereinigung Anklage erhoben hat (§ 129 Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 StGB).   

Bei den drei Männern handelt es sich um Kevin N., Patrick Wieschke und Marvin W. Letzterem wird zudem ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen (§ 52 Abs. 3 Nrn. 2a und 3 WaffG). Hinsichtlich Patrick Wieschke, einem hochrangigen Funktionär der Partei "Die Heimat" (vormals NPD), besteht laut GBA der hinreichende Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§ 129 Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB).

Es ist nicht der erste Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder von "Knockout 51". Bereits im Juli hatte das OLG Jena vier führende Mitglieder der rechtsradikalen Kampfsportgruppe zu Haftstrafen bis zu rund vier Jahren verurteilt. Anders als die Bundesanwaltschaft sah das OLG damals in der Eisenacher Gruppierung jedoch keine "terroristische Vereinigung" (Urt. v. 01.07.2024, Az. 3 St 2 BJs 4/21). Allerdings ist die Entscheidung des OLG Jena noch nicht rechtskräftig. Der GBA hatte gegen die Entscheidung Revision eingelegt.

"Ziel, Linke zu töten"

Über die Festnahme der nunmehr angeklagten Männer am 14. Dezember 2023 hatte LTO berichtet. Während sich Kevin N. und Marvin M., seither noch in Untersuchungshaft befinden, wurde Patrick Wieschke am 18. April aus der U-Haft entlassen. Wieschke ist Führungsmitglied der Partei "Die Heimat" (vormals NPD) in Eisenach.

Nach den Ermittlungen der GBA gründete Kevin N. spätestens im März 2019 gemeinsam mit drei der im Juli vom OLG Jena verurteilten Neonazis (Leon R., Maximilian A. und Eric K.) in Eisenach die Vereinigung "Knockout 51". Hierbei handelte es sich laut GBA um eine rechtsextremistische Kampfsportgruppe, die unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlockte, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktrinierte und für körperliche Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten, Angehörigen der politisch linken Szene und sonstigen als "bekämpfenswert" erachteten Personen ausbildete. "Knockout 51" sei von Beginn an zumindest auf die Begehung von Körperverletzungsdelikten angelegt, heißt es in der Erklärung des GBA. In Eisenach hat die Gruppierung "Angsträume" geschaffen.

Nach Angaben des GBA erstreckte sich spätestens seit Ende April 2021 das Ziel der Vereinigung auch auf die Tötung von Personen aus der linksextremen Szene. Kevin N. habe dabei Mitglieder und Anwärter der Gruppierung im Sinne ihrer rechtsextremistischen Ideologie geschult. Laut GBA leitete er "Kiezstreifen" und sicherte für die Vereinigung Veranstaltungen im "Flieder Volkshaus" in Eisenach ab. Zudem sei er in Propaganda-Aktivitäten von "Knockout 51" involviert gewesen. 

In den Jahren 2020 und 2021 reiste Kevin N. laut Anklage mit anderen Vereinigungsmitgliedern zu verschiedenen Protestveranstaltungen gegen Corona-Maßnahmen, um gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei oder Gegnern aus dem politisch linken Spektrum zu suchen. 

Im September 2021 sei "Knockout 51" von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff auf den verurteilten rechtsextremen Leon R. durch Linksextremisten in Erfurt ausgegangen. Einen solchen wollte die Gruppe laut Erkenntnissen des GBA für einen tödlichen Gegenangriff nutzen. "Kevin N. sollte das Aufeinandertreffen absichern, bei Bedarf eingreifen und über seine Kontakte in die rechtsextreme Szene Erfurts Unterstützung anfordern. Tatsächlich blieb ein Zusammenstoß trotz Provokationen durch Angehörige von "Knockout 51" aus', so der GBA.

Treffen in ehemaliger NPD-Zentrale "Flieder Volkshaus" 

"Die Heimat"-Funktionär Wieschke stellte laut GBA "Knockout 51" einen Raum im "Flieder Volkshaus" als Waffenlager sowie einen Computer zur Verfügung. Zudem soll er zugunsten der Vereinigung an dem Gebäude Umbauten veranlasst und an Treffen und Schulungsmaßnahmen von "Knockout 51" mitgewirkt haben. 

Marvin W., so der GBA, habe sich "Knockout 51" im März 2019 als Mitglied angeschlossen und Er an Kampfsport- und Schießtrainings der Vereinigung teilgenommen. Auch er habe "Kiezstreifen" in Eisenach durchgeführt und das Flieder Volkshaus abgesichert. Zudem habe er den vom OLG Jena im Juli zu drei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilten Leon R. bei dem Bau einer Schusswaffe geholfen. Zusammen mit dem Angeklagten Kevin N. habe er sich im September 2021 nach Erfurt begeben, um einen tödlichen Gegenangriff auf Linksextremisten durchzuführen. "Seine Aufgabe sollte dabei sein, mit dem Auto in die Gegner zu fahren", heißt es in der Pressemitteilung des GBA.

OLG Jena in der Kritik, BGH prüft

Die Verurteilung der vier Knockout 51-Mitglieder durch das OLG Jena zu Haftstrafen bis zu rund vier Jahren war mit Verwunderung und harscher Kritik aufgenommen worden. Der GBA hatte deutlich höhere Strafen – teilweise bis zu sieben Jahre – für die Männer gefordert. Maßgeblich gestützt war diese Strafforderung auf die Einschätzung, bei "Knockout 51" handele es sich nicht nur um eine kriminelle, sondern ab einem gewissen Zeitpunkt auch um eine terroristische Vereinigung. Dieser Einschätzung war das Gericht jedoch nicht gefolgt.

Auch damals war die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklage davon ausgegangen, dass sich Knockout 51 im Frühjahr 2021 so radikalisierte, dass der Zweck ab dann auch die Tötung von Linken war. Dazu habe man sich Waffen beschafft und an Schießtrainings teilgenommen. Es sei geplant gewesen, die Linken zu Angriffen zu provozieren, um dann unter Missachtung der Grenzen des Notwehrrechts die Angreifer umzubringen. Das OLG Jena sah das jedoch anders: Bei körperlichen Angriffen sei es rechtlich auch zulässig, so der Vorsitzende OLG-Richter Stefan Giebel seinerzeit, den Angreifer zu töten, wenn es kein gleich effizientes milderes Mittel gibt. Auch verwehrte sich das OLG gegen einen Vergleich der Eisenacher Neonazis mit dem Rechtsterrorismus des NSU. Wer Knockout 51 damit gleichsetze, relativiere die Opfer des NSU-Terrorismus, erklärte Richter Giebel. 

Gut möglich aber, dass der BGH das OLG-Urteil wieder einkassiert. Schließlich hatte noch im Januar der 3. Strafsenat des BGH in einer Haftsache die Annahme einer "terroristischen Vereinigung" mitgetragen. Für das Verfahren gegen die drei jetzt Angeklagten dürften dann die Weichen ebenfalls gestellt sein.

Zitiervorschlag

GBA-Anklage gegen drei Thüringer Rechtsextreme: . In: Legal Tribune Online, 19.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55456 (abgerufen am: 26.09.2024 )

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