Im Prozess um einen folgenschweren Baggerschiffunfall im Hamburger Hafen hat das Amtsgericht Hamburg einen Lotsen und einen Kapitän wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs zu Geldstrafen verurteilt.
Infolge eines schweren Baggerschiffunfalls im Hamburger Hafen hat das Amtsgericht (AG) Hamburg einen Lotsen und einen Kapitän zu Geldstrafen verurteilt (Az. 218 Ds 12/21). Das Gericht sprach die beiden Angeklagten am Montag der fahrlässigen Gefährdung des Schiffsverkehrs schuldig. Ein angeklagter Zweitlotse wurde freigesprochen.
Der 56 Jahre alte Lotse und der 79 Jahre alte Kapitän hätten sich beim Schleppen eines Bagger-Pontons am 7. Januar 2020 grob fahrlässig verhalten. Keiner habe gewusst, wer der verantwortliche Schiffsführer des Schleppverbandes gewesen sei, sagte Richter Arno Lehmann. Einer habe sich auf den anderen verlassen. "Zusammengefasst und rechtlich betrachtet war die Verholung der 'Simone' am 7. Januar 2020 ein Stück aus dem Tollhaus", sagte Lehmann der dpa.
Der Schleppverband sollte den Bagger nach Blankenese bringen. Bei der Fahrt vom Reiherstieg, einem Seitenarm der Elbe, durch die Retheklappbrücke schlug der fast senkrecht stehende Ausleger gegen eine Freileitung und durchtrennte sechs der acht Leitungsseile mit einer Spannung von 110 Kilovolt. Die Folge war ein mehrstündiger Stromausfall im Stadtteil Wilhelmsburg und ein Sachschaden von 687.000 Euro. Der Schleppverband bestand aus einem Schlepper, der Hubinsel und einem Schubboot. Der Raupenbagger befand sich auf der Hubinsel, einer Plattform mit absenkbaren Stelzen. Wie die Lotsen in ihrer Aussage erklärten, war an jenem Tag Eile geboten. Der Bagger sollte noch bei Hochwasser von seinem Liegeplatz im Reiherstieg, einem Seitenarm der Elbe, nach Blankenese gebracht werden, um möglichst nah an das Ufer heranfahren zu können. Ziel war eine Baustelle für ein neues Leuchtfeuer.
Lotsen hielten Baggerführer für Schiffsführer
Die Lotsen hatten die Höhe des Kranauslegers vor der Abfahrt auf 40 Meter geschätzt, wie sie vor Gericht sagten. Zum Unfallzeitpunkt ragte das Gerät nach Feststellung von zwei Gutachtern 63 Meter über dem Wasserspiegel auf. Die maximale Durchfahrtshöhe unter der Freileitung und der danach zu passierenden Köhlbrandbrücke beträgt 53 Meter. Die Höhe des Krans wäre für die Lotsen feststellbar gewesen, sagte Lehmann. Sie sei nach dem Ablegen auch nicht mehr verändert worden. Ein kurz nach der Abfahrt gemachtes Foto eines Zeugen zeige exakt die Position des Kranauslegers, in der er bei der Kollision war.
Die Angeklagten hatten zu den Vorwürfen zunächst geschwiegen. Erst am sechsten und letzten Verhandlungstag schilderten die beiden Lotsen den Vorfall aus ihrer Sicht. Dabei gaben sie an, sie hätten den Baggerführer für den Schiffsführer gehalten. Er habe bei einem kurzen Briefing an Bord gesagt, dass der Ponton "reiseklar" sei. Bei der Durchfahrt durch die geöffnete Retheklappbrücke habe es einen lauten Knall wie von einem starken Böller gegeben, berichtete der 56-Jährige. "Wir konnten uns keinen Reim darauf machen, bis einer sagte: 'Wir hängen in der Leitung.'" Der fast senkrecht stehende Ausleger hatte 6 der 8 Leitungsseile mit einer Spannung von 110 Kilovolt durchtrennt.
Der hauptverantwortliche Lotse wurde zu 135 Tagessätzen zu je 200 Euro verurteilt. Der Kapitän muss 75 Tagessätze zu 30 Euro zahlen. Hinzu kommen die anteiligen Kosten des Verfahrens. Zudem drohen den beiden nun zivilrechtliche Forderungen, sollte das Urteil rechtskräftig werden.
dpa/ku/LTO-Redaktion
Fahrlässige Gefährdung des Schiffsverkehrs: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51050 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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