Eine Witwe will, dass ihr Mann in der Türkei bestattet wird, die Mutter des Mannes will das verhindern. Entscheidend ist aber nicht was die Angehörigen wollen, entschied das AG München. Was er selber wollte, war aber auch nicht ganz klar.
Streiten sich Angehörige um die Bestattung eines Familienmitgliedes, ist der mutmaßliche Wunsch des Verstorbenen entscheidend. Das geht aus einem am Freitag veröffentlichten Urteil des Amtsgerichtes (AG) München hervor (Urt. v. 11.06.2016, Az. 171 C 12772/15). Ausgehend von den Grundrechten der Menschenwürde müsse es einem Menschen grundsätzlich gestattet sein, über seine sterblichen Überreste selbst zu bestimmen.
Im vorliegenden Fall war die Sache allerdings nicht ganz einfach: Ein 60 Jahre alter Münchner war gestorben, ohne ein Testament zu hinterlassen. Er war seit 2011 verheiratet mit einer Frau, die aus der Türkei stammt. Bis zu seinem Tod war er noch nie in der Türkei. Die Witwe des Verstorbenen möchte den Leichnam in ihrem Heimatdorf in der Türkei bestatten, da sie selbst dort begraben werden möchte.
Die Mutter des Verstorbenen wollte das jedoch verhindern. Die geplante Bestattung in der Türkei entspreche nicht dem Willen des Verstorbenen. Es sei besprochen gewesen, dass er in dem Familiengrab in München beerdigt werde. Weiterhin habe sich der Verstorbene eine Feuerbestattung gewünscht. Er habe zu keinem Zeitpunkt den Wunsch geäußert, in der Türkei beerdigt zu werden.
Die Mutter erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, mit der der Witwe untersagt wurde, den Leichnam in die Türkei zu überführen. Das Gericht hob die einstweilige Verfügung nun aber auf und erlaubte der Witwe die Bestattung ihres Mannes in der Türkei.
Kein Widerspruch zu Wunsch zu Lebzeiten
Das Recht der Totenfürsorge sei gesetzlich nicht geregelt, heißt es im Urteil des AG. Ausgehend von den Grundrechten der Menschenwürde und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit müsse es einem Menschen aber grundsätzlich gestattet sein, über den Verbleib und die weitere Behandlung oder Verwendung seiner sterblichen Überreste selbst zu bestimmen.
"Die Rechtsprechung überträgt das Recht der Totenfürsorge auf den nächsten Verwandten des Verstorbenen, im hiesigen Fall auf die Ehefrau […]. Der Inhaber des Totenfürsorgerechts hat sich im Rahmen des (mutmaßlichen) Willens des Verstorbenen zu bewegen. Innerhalb dieses Rahmens muss dem Inhaber aber ein erheblicher Ermessens- und Beurteilungsspielraum zuerkannt werden. Andernfalls wird die Umsetzung der Totenfürsorge nicht praktikabel sein", so das Urteil.
Das Gericht war letztlich davon überzeugt, dass das Vorhaben der Ehefrau sich im Rahmen des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen bewegt. So habe dieser gegenüber den Töchtern seiner Ehefrau geäußert, dass er mit seiner Ehefrau gemeinsam bestattet werden wolle. Zwar habe der Verstorbene gegenüber seiner Mutter eine Feuerbestattung und Beerdigung im Familiengrab gewünscht. Es sei aber durchaus vorstellbar, dass sich der verstorbene mit verschiedenen Möglichkeiten der Totenfürsorge befasst und angefreundet hat. Die Alternative, die die Ehefrau nun gewählt hat, stünde nicht im Widerspruch zu dem, was er sich zu Lebzeiten gewünscht hatte.
"Dem Gericht ist bewusst, dass diese Entscheidung für die Mutter eine nur schwer zu ertragende Härte mit sich bringt", hieß es in dem Urteil. "Diese Gesichtspunkte sind bedauerlich, aber für die Entscheidungsfindung nicht erheblich. Es ging in diesem Verfahren ausschließlich darum, den erklärten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu ergründen."
acr/LTO-redaktion
Mit Materialien der dpa
AG München zu mutmaßlichem Willen: . In: Legal Tribune Online, 12.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20281 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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