Der Karlsruher David Schneider-Addae-Mensah habe in einem privaten Brief auf die Äußerung von Joachim Herrmann gekontert, der Roberto Blanco öffentlich als "wunderbaren Neger" bezeichnet hatte, entschied das AG Karlsruhe.
"Neger" darf mit "Inzuchtprodukt" vergolten werden – zumindest im Fall des Streits zwischen Innenminister Joachim Herrmann und dem Karlsruher Anwalt David Schneider-Addae-Mensah. Die Erwiderung sei jedenfalls vom Recht zum Gegenschlag gedeckt, beschloss das Karlsruher Gericht in der jetzt bekannt gegebenen Entscheidung (Beschl. v. 03.05.2016, Az. 5 Cs 520 Js 39011/15).
Der erste Schlag war von Herrmann gekommen. Im August 2015 trat der CSU-Politiker bei Hart aber Fair auf. Und sagte in der Sendung zum Thema "800.000 Flüchtlinge - schafft Deutschland das?": "Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Neger, der den meisten Deutschen wunderbar gefallen hat. Und beim FC Bayern spielen auch 'ne ganze Menge mit schwarzer Hautfarbe mit. Und das finden die Fans vom FC Bayern auch gut."
"Wunderbares Inzuchtprodukt"
David Scheider-Addae-Mensah reichte es. Der promovierte Anwalt ist nach eigenen Angaben täglich selbst oder durch die Erfahrungen von Mandanten mit fremdenfeindlichen Angriffen verbaler oder physischer Art konfrontiert. Der 44-Jährige schrieb Hermann einen Brief. Unter dem Betreff "Ihre Rassistische Gesinnung" verfasste er den Satz: "Hallo, Herr Herrmann, Sie sind ein wunderbares Inzuchtprodukt". Herrmann konnte offenbar ebenso wenig lachen wie zuvor der Anwalt mit ghanaischen Wurzeln über den Spruch zu Roberto Blanco.
Er erstattete Strafanzeige, die Staatsanwaltschaft Karlsruhe beantragte den Erlass eines Strafbefehls wegen Beleidigung, §§ 185, 194 Strafgesetzbuch. Der zuständige Richter, Dr. Frank Holdefer, lehnte das aus rechtlichen Gründen ab. Es liege bei keiner der Formulierungen eine strafbare Handlung vor, so das Gericht.
"Vor diesem für das Gericht nachvollziehbaren und offensichtlichen Hintergrund liegt eine strafbare Handlung hinsichtlich des Wortlautes ,Ihre rassistische Gesinnung‘ nicht vor, zumal die Bezeichnung ,Neger‘ nach weit überwiegender Auffassung den Gehalt eines Schimpfwortes und einer abwertenden rassistischen Bezeichnung aufweist", so der Richter In seinem Beschluss.
Gegenschlag war adäquat
Der Beschuldigte habe sich offensichtlich "in erheblichem Maße persönlich betroffen" gefühlt, so Holdefer. Vor diesem Hintergrund sei die Äußerung im Rahmen des gesellschaftlichen Meinungsstreits von der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz gedeckt.
Er verweist zudem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Recht zum Gegenschlag. Danach dürften ehrverletzende Angriffe oder überspitzte Kritik scharf und drastisch erwidert werden, so dass "auch beleidigende Äußerungen gerechtfertigt sein können". Der erforderliche Sachbezug des Gegenschlags liege hier vor und stelle auch eine "adäquate Reaktion" auf die vorausgegangene Ehrverletzung dar. Dies auch deshalb, weil der 44-Jährige sein Schreiben an Herrmann persönlich gerichtet und keine größere Öffentlichkeit einbezogen habe.
"Seit zwölf Jahren befasse ich mich mit derartigen Angriffen und Gegenschlägen", sagt Schneider-Addae-Mensah. Dass kein Strafbefehl erlassen werde, hat der Sohn einer deutschen Lektorin und eines Professors aus Ghana allerdings noch nicht erlebt. Vielleicht, so mutmaßt er, habe man ja auch in Karlsruhe endlich mal genug. Immerhin hatte der Fall, wie er selbst nach einem Briefeinwurf bei Gericht von einem Bundespolizisten auf den Boden geworfen worden war, im Kontext der Hauptverhandlung für erhebliches Aufsehen gesorgt.
Tanja Podolski, Nach dem "wunderbaren Neger": . In: Legal Tribune Online, 09.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19321 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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