Wird ein Flug annulliert, muss die Fluglinie den schnellstmöglichen Ersatz anbieten. Ansonsten bestehen für Fluggäste Ausgleichsansprüche, wie der BGH nun entschieden hat. Das stärkt die Fluggastrechte weiter.
Fluglinien, die einen Flug wegen eines außergewöhnlichen Ereignisses annullieren, müssen dem Fluggast einen frühestmöglichen Ersatz anbieten. Ansonsten ist eine Ausgleichszahlung fällig, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil nochmals klar (Beschl. v. 10.10.2023, Az. X ZR 123/22). Ein Fluggast habe einen Anspruch darauf, schnellstmöglich anderweitig befördert zu werden, wenn dies gemäß Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung (Fluggastrechte-VO) für die Fluglinie zumutbar sei, so der für Fluggastrechte zuständige X. Zivilsenat.
Im konkreten Fall ging es um einen Flug von Reykjavik nach München, der Anfang 2020 wegen einer Blizzardwarnung annulliert worden war. Die klagenden Fluggäste waren daraufhin erst am übernächsten Tag in München gelandet, obwohl es auch einen Flug gleich am Tag nach dem Sturm gegeben hatte. Sie klagten deshalb auf eine Ausgleichszahlung, weil sie nicht schnellstmöglich befördert worden waren, scheiterten damit allerdings in den Vorinstanzen (Amtsgericht Erding und Landgericht Landshut). Vor dem BGH hatten sie nun aber Erfolg.
Wegen einer Verspätung von mindestens drei Stunden oder Flugausfall steht Fluggästen nach der Fluggastrechte-VO ein Entschädigungsanspruch zu, wenn die Airline die Verzögerung bzw. den Ausfall zu vertreten hat. Nur bei außergewöhnlichen Ereignissen kann es Ausnahmen geben, die eine Entschädiungspflicht für die Airlines entfallen lassen.
Auf diese Ausnahme hatte die in diesem Fall bekalgte Airline spekuliert. Sie argumentierte, dass selbst mit der nächstmöglichen Flug-Alternative eine Verspätung von mindestens drei Stunden nicht mehr zu vermeiden gewesen wäre. Sie buchte die klagenden Fluggläste deshalb auf einen Flug zwei Tage nach dem Blizzard, obwohl auch einen Tag nach dem Blizzard ein Flieger ging. Von der Pflicht zur Ausgleichszahlung hielt sie sich befreit, weil sie ja einen Ersatzflug – wie gesetzlich vorgesehen – durchgeführt habe.
Der BGH trat dieser Argumentation aber entschieden entgegen. Nur weil eine Verspätung von drei Stunden ohnehin nicht mehr zu vermeiden gewesen wäre, heißt das nach Auffassung des Karlsruher Senats nicht, dass irgendein Ersatzflug genüge, um als Fluggesellschaft von der Entschädigungspflicht frei zu werden. Der Begriff des "Ersatzfluges" sei nämlich nicht nur auf solche Flüge beschränkt, die die Passagiere mit weniger als drei Stunden Verspätung ans Ziel bringen. Dadurch, dass die Airline ihren Fluggästen erst zwei Tage nach dem Blizzard einen Flug zuordnete, obwohl schon einen Tag nach dem Blizzard ein anderer Flieger ging, habe sich die beklagte Fluggsellschaft ersatzpflichtig gemacht, weil sie den Anspruch der Fluggäste auf schnellstmögliche Beförderung nicht erfüllt habe.
Damit stärkt der BGH die Fluggastrechte weiter. Erst kürzlich hatte der X. Senat entschieden, dass Reisende, deren Flug annulliert wird, selber bestimmen können, wann sie einen kostenlosen Ersatzflug antreten, und dafür keine Zuzahlung leisten müssen.
dpa/LTO-Redaktion
BGH stärkt erneut Fluggastrechte: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53228 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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