Nach den Wahlpannen vom 26. September in Berlin sind noch zahlreiche Fragen offen. Nun erklärt die Wahlleiterin, dass auch sie nicht alle beantworten kann.
Berlins amtierende Wahlleiterin Ulrike Rockmann sieht sich nicht in der Lage, die zahlreichen Probleme und Fehler bei den Wahlen am 26. September komplett nachzuvollziehen und aufzuklären. Eine vollständige Aufklärung aller Vorkommnisse sei ihr nicht möglich, heißt es in einer ergänzenden Stellungnahme, die der Berliner Verfassungsgerichtshof im Rahmen seines Verfahrens zur Überprüfung der Wahl zum Abgeordnetenhaus angefordert hatte.
Ihr lägen in dem Zusammenhang lediglich die Niederschriften der zwölf Bezirkswahlausschüsse zu den Wahlergebnissen vor, so Rockmann zur Begründung. "Die Niederschriften der 3764 Urnen- und Briefwahllokale lagen mir nicht vor. Besondere Ermittlungsbefugnisse habe ich nicht, also auch kein Recht auf Anhörung von Zeugen oder das Erteilen von Anweisungen an die Bezirkswahlleitungen." Aus der Stellungnahme zitierten am Mittwoch mehrere Medien, sie liegt auch der Deutschen Presse-Agentur vor.
Am 26. September gab es bei den parallel stattfindenden Wahlen zum Bundestag und zum Berliner Abgeordnetenhaus zahlreiche Pannen und organisatorische Probleme. Dazu zählten falsche oder fehlende Stimmzettel, die zeitweise Schließung von Wahllokalen und lange Schlangen davor mit teils stundenlangen Wartezeiten. Zudem hatten Wahllokale teils noch weit nach 18.00 Uhr geöffnet.
Verhandlung des Landesverfassungsgerichts im September
Nach Einsprüchen gegen die Wahl zum Abgeordnetenhaus hatte das Landesverfassungsgericht ein Wahlprüfungsverfahren eingeleitet, in dem es über eine mögliche Wiederholung entscheidet. Für Ende September plant das Gericht eine mündliche Verhandlung. Danach soll bis Ende des Jahres eine Entscheidung fallen. Das Gericht könnte die Wahl komplett oder teilweise, also in bestimmten Wahlkreisen oder -bezirken, für ungültig erklären. Es könnte aber auch die Einsprüche zurückweisen. Voraussetzung für eine Wahlwiederholung ist, dass Fehler mandatsrelevant sind, sich also auf die Sitzverteilung auswirken.
Aus der Stellungnahme der Landeswahlleitung geht hervor, dass nach ihren Erkenntnissen 1608 falsche Stimmzettel für Erststimmen ausgegeben wurden, also solche aus einem anderen Wahlkreis. Da es sich um eine Personenwahl handele, seien sie für ungültig erklärt worden. Falsche Zettel für die Zweitstimmen seien allein im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verteilt worden. Die 1969 Stimmen für Parteien seien nachträglich als gültig gewertet worden.
170 Wahlberechtigte wurden nach den Erkenntnissen der Landeswahlleitung abgewiesen. In 15 Fällen wählten Minderjährige oder EU-Ausländer das Abgeordnetenhaus mit, obwohl sie nur für die ebenfalls am 26. September abgehaltenen Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen stimmberechtigt waren.
Auch im Hinblick auf die Bundestagswahl steht die Möglichkeit einer zumindest teilweisen Wiederholung in Berlin im Raum. Darüber muss der Bundestag auf Basis einer Empfehlung seines Wahlprüfungsausschusses entscheiden, bei dem viele Einsprüche eingingen. Wann diese Empfehlung erfolgt, ist offen. Nach LTO-Informationen herrscht im Ausschuss Streit darüber, ob und welche Informationen dieser noch benötigt, um überhaupt ein Votum abgeben zu können. Gegen die Entscheidung des Bundestags wären dann noch Klagen beim Bundesverfassungsgericht möglich.
dpa/LTO-Redaktion
Erklärung der Wahlleiterin: . In: Legal Tribune Online, 01.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48624 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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