EU-Kommissar Thierry Breton hat Hinweise, dass auf der Online-Plattform X Falschinformationen im Zusammenhang mit den Angriffen der Hamas auf Israel verbreitet werden. Elon Musk soll diese Inhalte löschen – und teilt aus.
Nach der Verbreitung von Falschinformationen zu den Angriffen der islamistischen Hamas auf Israel auf Elon Musks Online-Plattform X wurde die EU-Kommission aktiv. EU-Kommissar Thierry Breton erinnerte den US-Milliardär Musk in einem Brief an die Verpflichtung, illegale Inhalte zu löschen. So gebe es Hinweise auf Bilder, die manipuliert seien oder eigentlich aus Videospielen stammten. Er bat um Antwort innerhalb von 24 Stunden.
"Nach den terroristischen Anschlägen der Hamas gegen Israel haben wir Hinweise darauf, dass Ihre Plattform genutzt wird, um illegale Inhalte und Desinformationen in der EU zu verbreiten", schrieb Breton in einem Brief, der am Dienstagabend auf X veröffentlicht wurde. "Dies ist besonders wichtig, wenn es um gewalttätige und terroristische Inhalte geht, die auf Ihrer Plattform zu kursieren scheinen", schrieb Breton.
Eindeutige Pflicht zur Löschung illegaler Inhalte
Große Online-Plattformen wie Meta, Google und X müssen nach EU-Recht hart gegen illegale Inhalte auf ihren Plattformen vorgehen. Dies sieht das im November 2022 in Kraft getretene Gesetz über digitale Dienste – der Digital Services Act (DSA) – vor. Die von der EU-Kommission als "sehr groß" definierten Online-Plattformen müssen danach Maßnahmen ergreifen, um Risiken im Zusammenhang mit der Verbreitung illegaler Inhalte entgegenzuwirken. Der Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit der Nutzer und Nutzerinnen stehe an erster Stelle.
Für diese muss vor dem Posten klar sein, welche Inhalte illegal sind und welche nicht. Betreiber sind verpflichtet, Meldungen von Nutzerinnen und Nutzern über illegale Inhalte auf ihrer Plattform zügig zu bearbeiten und zu reagieren. Illegale Inhalte müssen danach entfernt werden. Auch X musste bis zum 15. September 2023 ein System aufsetzen, um diesen Vorgaben zu entsprechen.
X ist sich keiner Pflichtverletzung bewusst
Musk und Breton lieferten sich in den vergangenen Tagen einen regelrechten Schlagabtausch. Musk gab sich zunächst unwissend: Er rief Breton auf, die Verstöße aufzulisten, "damit die Öffentlichkeit sie sehen kann". Der Kommissar blieb hart: "Die Berichte ihrer Nutzer - und der Behörden - über Falschinformationen und die Verherrlichung von Gewalt sind ihnen gut bekannt." Es sei nun an Musk, seinen Worten Taten folgen zu lassen. "Aber was SIND diese Inhalte, von denen die Rede ist?", schrieb Musk Stunden später erneut.
Auch X selbst bezog bereits Stellung. Auf dem Profil von X, wo über Maßnahmen zur Plattform-Sicherheit informiert wird, hatte es am Montag geheißen, man sei am Wochenende gegen "zehntausende" Beiträge mit Darstellungen von Gewalt oder Hassrede vorgegangen. Auch seien neu geschaffene Accounts mit Verbindungen zur Hamas entfernt worden.
In Berlin beklagte Digitalminister Volker Wissing (FDP) eine Zunahme antisemitischer, volksverhetzender Posts. Er appellierte an Elon Musk und alle Plattform-Betreiber, Accounts zu löschen, die Terror verherrlichen, zur Vernichtung Israels aufrufen und Gewalt gegen Juden schüren. "Stoppen Sie das Verbreiten barbarischer Videos und hetzerischer Falschinformationen." Dies sei nicht nur eine gesetzliche Pflicht nach dem Digital Service Act der Europäischen Union, sondern auch eine ethische Verantwortung.
Die Regierung bald nicht mehr auf X?
Derweil werden Stimmen lauter, die die Bundesregierung zum Verlassen von X auffordern. So soll die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman die X-Betreiber in einem Schreiben an Regierungssprecher Steffen Hebestreit massiv kritisiert und auf die mangelhafte Durchsetzung geltenden Rechts hingewiesen haben. Es sei "zunehmend fragwürdig, ob Regierungs- und staatliche Behörden Öffentlichkeitsarbeit auf einer Plattform betreiben sollten, die zu einem Desinformations-Netzwerk geworden ist und dessen Eigentümer antisemitische, rassistische und rechtspopulistische Inhalte teilt oder verbreitet", heißt es in dem Schreiben.
Die Kommunikation auf dieser Plattform werde immer schwieriger, räumte auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, ein. Erforderlich sei ein Abwägen, ob es sinnvoll wäre, sich von einer so breit etablierten Plattform zu verabschieden. Denn dies würde dann dazu führen, dass die Nutzerinnen und Nutzer dort "nur noch einseitig beschallt werden".
Kein Problem der Kapazität
Dass sich das Löschen illegaler Inhalte auf X verzögert, kann auch nicht mit Kapazitätsgründen begründet werden. Zwar hatte Musk nach seinem Kauf des Online-Dienstes Medienberichten zufolge einen Sparkurs gefahren, der vielen Mitarbeitenden, die für die Sicherheit der Plattform und den Kampf gegen Falschinformationen zuständig waren, ihre Jobs kostete. X-Chefin Lind Yaccarino sagte jüngst allerdings, die entsprechenden Abteilungen würden inzwischen wieder aufgebaut.
Musk betonte in der Vergangenheit immer wieder, dass aus seiner Sicht Twitter vor der Übernahme zu sehr die Redefreiheit eingeschränkt habe. Entsprechend lockerte er die Regeln für Äußerungen auf der Plattform. Unter anderem die jüdische Organisation ADL und einige Forscher sehen seitdem einen Anstieg antisemitischer Inhalte auf der Plattform. Musk weist dies zurück und drohte, die ADL vor Gericht anzuklagen.
Auch Meta in der Verantwortung
Am Mittwoch veröffentlichte Breton auf dem sozialen Netzwerk Bluesky zudem einen ähnlichen Brief an Meta-Chef Mark Zuckerberg. Er wolle unverzüglich über Einzelheiten der Maßnahmen informiert werden, die Facebook getroffen habe, um Fälschungen einzudämmen, auch im Hinblick auf bevorstehende Wahlen in der EU, schrieb der Franzose. Es gebe Berichte über eine beträchtliche Zahl von Fälschungen und manipulierten Inhalten im Zusammenhang mit den jüngsten Wahlen in der Slowakei.
Innerhalb des nächsten Jahres stehen nicht nur Wahlen zum Europaparlament an, auch in mehreren EU-Staaten sind Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, ihre Stimmen in nationalen Wahlen abzugeben.
dpa/mw/LTO-Redaktion
Desinformation nach Hamas-Attacke?: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52896 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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