Der Bundesgerichtshof hatte der Süddeutschen Zeitung gestattet, wörtlich aus den Olearius-Tagebüchern zu zitieren. Gegen diese Entscheidung wehrte sich der Bankier vor dem Bundesverfassungsgericht – ohne Erfolg.
Der Hamburger Bankier Christian Olearius ist mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Veröffentlichung von Passagen aus seinen Tagebüchern in Karlsruhe gescheitert. Die Beschwerde sei bereits unzulässig, da sie offensichtlich nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen genüge. Eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts habe der Bankier nicht hinreichend darlegen können, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem am Montag veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 10.04.2024; Az. 1 BvR 2279/23).
Im Zuge der Ermittlungen im Cum-Ex-Skandal waren 2018 die Tagebücher des ehemaligen Bankiers beschlagnahmt worden. Zwei Jahre später wurde in der Presse mehrfach aus den Aufzeichnungen zitiert. Durch die Veröffentlichung von Tagebuch-Einträgen waren unter anderem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) während seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister mit den Gesellschaftern Olearius und Max Warburg bekannt geworden. Mit seiner Verfassungsbeschwerde hatte sich Olearius gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) gewandt. Der BGH hatte der Süddeutschen Zeitung erlaubt, Passagen aus den beschlagnahmten Tagebüchern des Bankiers wörtlich wiederzugeben.
Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert begründet
Olearius hatte sich in seiner ursprünglichen Klage darauf berufen, dass § 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) die Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten eines Strafverfahrens untersagt, bevor diese in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Der BGH hatte – anders als das Oberlandesgericht Hamburg – die Tagebücher aber schon nicht als amtliche Dokumente im Sinne der Norm angesehen. Außerdem sei § 353d Nr. 3 StGB kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sodass ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des Bankiers ausschied.
Die Norm lasse die abstrakte Gefährdung der von ihr geschützten Rechtsgütern genügen, ohne dass es auf eine konkrete Beeinträchtigung oder Verletzung im Einzelfall ankomme. Die Norm setzte insbesondere nicht die sonst zur Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderliche Einzelfallabwägung voraus.* Dass diese rechtliche Bewertung die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung missachte und somit gegen das Willkürverbot verstoße, habe Olearius in seiner Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert dargelegt, so das BVerfG.
Außerdem setze sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert mit der vom BGH herangezogenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auseinander. Anders als der BGH schreibe der EGMR eine Einzelabwägung vor, erklärt Dr. Benjamin Lück, Projektkoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Lück begrüßt die Entscheidung des BVerfG und sieht den Gesetzgeber am Zug: "Das BVerfG stärkt den differenzierten Ansatz, den der BGH zumindest im Presserecht vertritt. Danach passe das abwägungsfreie Zitierverbot in § 353d Nr. 3 StGB nicht zum haftungsrechtlichen Gesamtsystem und gerate außerdem in Konflikt mit den verfassungsrechtlichen- und konventionsrechtlichen Gewährleistungen der Pressefreiheit. Der Gesetzgeber ist spätestens jetzt am Zug, das deutsche Recht konventionskonform auszugestalten", sagt Lück.
Olearius war bereits mit einer Anhörungsrüge vergeblich gegen das Urteil des BGH vorgegangen. Wegen der Weitergabe der Tagebuchinhalte sprach das Landgericht Köln ihm aber Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro zu.
lmb/LTO-Redaktion
*Ergänzt am 22.04.2024, 16:50 (Red.).
Veröffentlichung von Tagebuchzitaten im Cum-Ex-Skandal: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54383 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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