Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat eine erste Skizze für die Einführung von Verantwortungsgemeinschaften vorgelegt. Noch ist das Projekt etwas schwachbrüstig, meint Christian Rath.
Schwestern, die zusammen alt werden, oder Wohngemeinschaften, die länger zusammenbleiben wollen, können bald eine Verantwortungsgemeinschaft gründen. Dies schlägt Justizminister Marco Buschmann (FDP) in einem Eckpunktepapier vor. Er will solchen Wahlverwandschaften das Leben leichter machen, etwa bei der Organspende oder bei Auskunftsrechten im Krankenhaus.
Das ist ein schönes und ehrenwertes Vorhaben, das Unterstützung verdient. Wenn der Staat Menschen hilft, die für einander einstehen wollen, kann er eigentlich nicht viel falsch machen, außer zu wenig zu helfen.
Zu spät, zu teuer
Das Eckpunktepapier des Justizministers kommt mit Verzögerung. Es war schon im letzten Sommer angekündigt und setzt ja nur ein Vorhaben um, das bereits im Ampel-Koalitionsvertrag enthalten ist.
Doch es gab längere Phasen der Unstimmigkeiten mit dem Innenministerium. Dabei ging es wohl vor allem um die Frage, ob die Verantwortungsgemeinschaft auf dem Standesamt geschlossen werden kann, was günstiger wäre, oder beim Notar beurkundet werden muss. Buschmann bevorzugte eigentlich das Standesamt, wobei der Minister auf einen digitalen Rechtsakt Wert legte. Das wäre aber nichts mehr geworden in dieser Wahlperiode (digital dauert immer länger in Deutschland), so dass nun doch die Notar:innen ran müssen oder dürfen.
Für die Bürger:innen werden die Kosten der Begründung einer Verantwortungsgemeinschaft nun vermutlich deutlich höher liegen, als ursprünglich geplant. Doch auch für die Notar:innen ist das kein Konjunkturprogramm. Sie sind gewohnt, den Verkauf von Einfamilienhäusern und Gaskraftwerken zu beurkunden. Da sind Geschäfte für ein paar hundert Euro Gebühren nicht der Rede wert. Die Beratung über die Grundform der Verantwortungsgemeinschaft und die zusätzlichen frei kombinierbaren vier Module (Gesundheit, Zusammenleben, Pflege, Zugewinngemeinschaft) dürfte auch mehr Fragen aufwerfen, als Notar:innen gut finden.
Ob die Gebühren nun prohibitiv hoch sind, hängt davon ab, was man mit der Verantwortungsgemeinschaft bezweckt. Wenn eine WG erreichen will, dass jedes WG-Mitglied mit Wirkung für alle einen neuen WG-Kühlschrank kaufen kann, wird sie dafür kaum hunderte von Euro ausgeben. Es ging auch bisher ohne so einen Status.
Wenn aber im Modul "Zugewinngemeinschaft" ein Zugewinnausgleich vereinbart wird, kann dies nach einigen Jahren zehntausende Euro einbringen. Dafür gibt man - jedenfalls als potenziell empfangender Teil - gerne einige hundert Euro aus.
Für nicht-eheliche Partnerschaften
Das Beispiel mit dem Zugewinnausgleich zeigt, dass die Verantwortungsgemeinschaft vor allem für nicht-eheliche Lebensgemeinschaften interessant sein dürfte. Wenn die erfolgreiche Anwältin mit dem aufstrebenden Straßenmusiker eine Affäre beginnt und ein Kind zeugt, dann stellt der Musiker oft die Karriere zurück und erzieht das Kind. Sollte die Anwältin nach 13 Jahren dann doch ihren Kanzlei-Kollegen heiraten, hätte der Musiker zumindest Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen, die die Anwältin in dieser Zeit mehr erwirtschaftete als er.
Erstaunlicherweise taucht das Wort "nicht-eheliche Lebensgemeinschaft" im Eckpunktepapier und den begleitenden Erläuterungen aber kein einziges Mal auf. Immer geht es um Schwestern, die sich unterstützen, um solidarische Alleinerziehende und um Wohngemeinschaften, nie geht es um unverheiratete Paare.
Buschmann scheint Angst zu haben, dass die Verantwortungsgemeinschaft als Konkurrenz zur klassischen Ehe angesehen wird. Er hat es auch mehrfach betont, die Verantwortungsgemeinschaft sei keine "Ehe light".
Warum eigentlich nicht? Die Idee der Verantwortungsgemeinschaft wird nicht dadurch beschmutzt, dass ihre Mitglieder miteinander Sex haben. Und der Ehe wird ja nichts weggenommen, wenn es neben ihr noch andere Paarstatus-Formen gibt. SPD, Grüne und FDP sehen das jedenfalls so.
Man könnte meinen, Buschmann wähnt sich schon in einer baldigen Koalition mit der CDU/CSU und versucht, auf deren Befindlichkeiten vorsorglich Rücksicht zu nehmen.
Eckpunkte mit Lücken
Doch das ist nur eine Frage der Kommunikation, ob man das Offensichtliche ausspricht oder verschweigt. Es gibt aber auch echte Lücken in den Eckpunkten. Es fehlen Punkte, die man eigentlich in Buschmanns Vorhaben erwarten konnte.
So fehlt etwa ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Mitglieder der Verantwortungsgemeinschaft. Wohl hatte Buschmann Angst, dass ein Hells-Angels-Chapter kurz vor der Verhaftung zum Notar geht und sich als Verantwortungsgemeinschaft definiert. Vorbei wäre es fortan mit der geradezu vorbildlichen Aussagebereitschaft im Milieu der organisierten Kriminalität.
Auch fehlt ein Passus, dass nach Tod oder Wegzug der Hauptmieter:in der Mietvertrag nicht endet, sondern die anderen Mitglieder der Verantwortungsgemeinschaft automatisch nachrücken. Hier nimmt der FDP-Minister wohl (zu viel) Rücksicht auf die Interessen der Vermieter:innen und entwertet damit die Verantwortungsgemeinschaft, zumindest im Modul "Zusammenwohnen".
Unter einem nicht näher erläuterten Prüfvorbehalt steht auch ein Vorschlag im Modul "Pflege". Danach könnte ein Partner sich bis zu sechs Monaten von der Erwerbsarbeit freistellen lassen, um ein anderes Mitglied der Verantwortungsgemeinschaft zu pflegen. Gute Idee, warum steht das unter Vorbehalt?
Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass die Verbände, die jetzt Stellung nehmen können, an solchen Punkten Verbesserungsbedarf anmelden.
Es geht nicht um Vielehen
Es gab aber auch Kritik, die offensichtlich wenig am Projekt interessiert war und nur fragte: Wie könnte die Verantwortungsgemeinschaft von Ausländern missbraucht werden? Welchen unerwünschten Nutzen könnten Muslime aus dem Projekt ziehen? Tatsächlich schrieben viele Medien am Wochenende über die Sorge, dass die Verantwortungsgemeinschaft zur Anerkennung muslimischer Vielehen führen könnte.
Anlass der Berichte war diesmal allerdings kein Reflex der AfD, sondern die Reaktion der CDU/CSU auf Buschmanns Plan. Die Union hat die AfD-Prioritäten also bereits weitgehend verinnerlicht.
Dabei sind Vielehen in Deutschland bereits rechtlich akzeptierte Realität - wenn die Vielehe im Ausland legal geschlossen wurde. Dann stellt das internationele Privatrecht auf das Recht am Ort der Staatsbürgerschaft der Ausländer:innen ab. Eindeutig verboten, ist nur das Eingehen mehrerer Ehen in Deutschland.
Da die Verantwortungsgemeinschaft aber nicht wie eine Ehe wirkt und auch nicht "Ehe" heißt, wird mit ihr auch keine "Vielehe" eingeführt, legitimiert oder gefördert. Genauso wenig, wie wenn die Deutsche Bahn einem fundamentalistischen Muslim und den drei Frauen, die er gerne heiraten würde, ein Supersparpreis-Gruppenticket verkauft.
Eckpunkte zur Verantwortungsgemeinschaft: . In: Legal Tribune Online, 05.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53805 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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