Das BVerfG beantwortete Fragen einer Bild-Journalistin nicht. Die klagte daraufhin erfolgreich. Statt sich vor Gericht selbst zu vertreten, mandatierte das BVerfG teure Anwälte zulasten des Steuerzahlers und zulasten der Pressefreiheit.
"Ich verweise auf die bisherige Korrespondenz" musste BILD-Reporterin Lydia Rosenfelder vom Pressesprecher des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) immer wieder lesen, als sie Fragen zu Hintergründen des gemeinsamen Abendessens von Verfassungsrichtern mit Angela Merkel und Ministern stellte. Dabei wurden ihre Fragen in der vorherigen Korrespondenz gar nicht beantwortetet. Schließlich klagte sie vor dem Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe - und plötzlich wurden die Fragen beantwortet, so dass der Rechtsstreit erledigt war. Doch in der Kostenentscheidung hielt das VG fest, dass das BVerfG, dessen Verwaltungsleitung letztlich vom Gerichtspräsidenten Stephan Harbarth verantwortet wird, Rosenfelder zu Unrecht die presserechtliche Auskunft verwehrt hatte.
Jetzt wurde durch einen Bericht der FAZ öffentlich, was das BVerfG für seine Rechtsverteidigung in diesem Fall ausgegeben hat, nämlich 33.528,26 Euro. Herausgekommen ist die Summe durch eine Antwort des BVerfG auf eine Bürgeranfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Gegenüber der FAZ begründet das BVerfG die Höhe der Summe mit der "herausragenden Expertise" der Kanzlei und der "Eilbedürftigkeit einer Reaktion".
Anwälte des BVerfG erhielten vierzehnmal höhere Vergütung als der Bild-Anwalt
Sicherlich: Die Kanzlei, die das BVerfG im Rechtsstreit vertrat, Dolde Mayen & Partner, genießt hohes Ansehen im Markt. Der Bild-Anwalt, Christoph Partsch, ist im Presserecht indes mindestens ebenso renommiert. Nach LTO-Informationen bekam dieser für die Vertretung der Journalistin des Axel Springer Verlags 2.293,25 Euro und damit nicht einmal sieben Prozent der Summe, die seine Kollegen auf BVerfG-Seite erhielten.
Das Argument des BVerfG, das letztlich lautet: "Expertise kostet eben", ist damit sehr fragwürdig, zumal es im Rechtsstreit um alles andere als komplexe Rechtsfragen ging. Was die unterschiedliche Vergütung der Anwälte angeht, kommt es natürlich oft vor, dass diese sich neben der Marktstellung, finanziellen Möglichkeiten der Parteien oder Verhandlungsgeschick der Anwälte auch daraus ergibt, dass auf einer der beiden Seiten ein unterschiedlicher Aufwand zu verzeichnen ist. Doch der öffentlich bekannte Aufwand der Kanzlei Dolde Mayen & Partner war sehr überschaubar.
Die Schriftsätze der Kanzlei aus dem Verfahren liegen LTO vor. Sie weisen einen Umfang von insgesamt 20 Seiten auf, inklusive Formalien wie Fristverlängerung, Kostenfestsetzungsantrag etc. Dies wären Kosten pro Seite in Höhe von über 1.600 Euro. Rechnet man hypothetisch mit einem für staatlichen Institutionen bereits völlig unüblich hohem Stundenhonorar von 500,- Euro bedeutete dies, dass sich die Kanzlei über 66 Stunden mit dem Rechtsstreit beschäftigt hat; nach der Schätzung des FAZ-Journalisten Jochen Zenthöfer waren es sogar über 110 Stunden.
13 Seiten Rechtsausführungen, über 33.000 Honorar
In Anbetracht der vom BVerfG proklamierten “besonderen Expertise” der Kanzlei ist es ausgeschlossen, dass diese für die Verfassung der Schriftsätze mit nur 13 Seiten Rechtsausführungen ein derart hohes Stundenvolumen benötigt hat. Die rechtlichen Erwägungen sind auch nicht nur hinsichtlich der Länge, sondern auch Begründungstiefe zudem recht schlicht gehalten, was wohl an der Einfachheit des Sachverhalts liegen dürfte.
Natürlich besteht Rechtsberatung nicht nur aus Schriftsätzen, sondern unter anderem aus Mandantengesprächen, Recherchen und Durchsicht von Dokumenten. Doch wie die Fragen der Bild-Journalistin einen solchen Zeitaufwand verursacht haben sollten, bleibt schleierhaft.
Nachdem die Pressestelle des BVerfG zunächst die Höhe der Anwaltsgebühr bestätigte, teilt es auf schriftliche Anfrage von LTO überraschend mit, dass "ein Teil dieser Vergütung auf in einem parallel laufenden IFG-Verfahren erbrachte Beratungsleistungen" zurückfalle. Diese Auskunft steht indes im klaren Widerspruch zur Antwort des BVerfG an die Bürgeranfrage. Der Bürger schränkte die Frage eindeutig auf das Gerichtsverfahren ein, indem er nach den "Gesamtkosten der anwaltlichen Beratung im Verfahren vor dem VG Karlsruhe Az. 4 K 233/22" fragte. Entsprechend wurde ihm geantwortet, dass sich die Summe von 33.528,26 Euro auf das Honorar "in dieser Angelegenheit" beziehe.
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Abgesehen davon begründete das BVerfG die Höhe des Honorars gegenüber der FAZ jedenfalls nicht mit einem besonderen Rechercheaufwand, sondern der "Expertise der Kanzlei" und der "Eilbedürftigkeit" der Sache.
Angeblich keine Ressourcen für Eigenvertretung am BVerfG
Stichwort juristische Expertise: Die haben nicht nur die Richter:innen am BVerfG, sondern auch die juristischen Mitarbeitenden in der Verwaltung des Gerichts. Dass staatliche Institutionen überhaupt Anwälte mit ihrer Rechtsvertretung beauftragen, ist alles andere als selbstverständlich. Nicht ohne Grund bestimmt § 67 Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), dass Behördenmitarbeiter mit 2. Staatsexamen die staatliche Institution sogar vor dem Oberverwaltungsgericht vertreten können. Dass dies gerade im Bereich des presserechtlichen Auskunftsanspruchs oft unterbleibt, ist indes kein Spezifikum beim BVerfG. Viele Bundesministerien lassen sich in presserechtlichen Angelegenheiten von Anwälten vertreten und verpulvern so Millionen Euro von Steuergeldern für den Kampf gegen Transparenz. Allen voran in den letzten Jahren: Das Bundesverkehrsministerium.
Auf die Frage von LTO, warum das BVerfG sich nicht selbst vertreten hat, antwortet das Gericht, eine Vertretung durch beim BVerfG beschäftigte Juristinnen und Juristen sei nicht in Betracht gekommen. Auf die im Haus vorhandenen Ressourcen konnte mit Blick auf die verfahrensbezogene Arbeitsbelastung nicht zurückgegriffen werden.
Angeblich keine Ressourcen an Mitarbeitenden, aber offensichtlich genug finanzielle Ressourcen, um teure Anwälte zu beschäftigen: Statt den klar bestehenden Auskunftsanspruch einfach zu erfüllen, hat das BVerfG viel Geld in die Abwehr einer Journalistenanfrage "investiert". Das war vergeblich, teuer und blamabel.
BVerfG zahlte 33.528 Euro zur Abwehr einer Presseanfrage: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49624 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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