EuGH-Urteil zur Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe: Retter der Rechts­staat­lich­keit im Umwelt­recht

von Dr. Felix W. Zimmermann

08.11.2022

Die DUH darf schmutzige Dieselautos von der Straße klagen. Mit diesem Urteil hat der EuGH den Plan der Großen Koalition durchkreuzt, Rechtsstaatlichkeit im Umweltrecht zu vereiteln. Die Ampel muss jetzt handeln, findet Felix W. Zimmermann. 

"Wo kein Kläger, da kein Richter" kann man im Rechtsstaat ja noch hinnehmen. Selbst schuld, wenn sich keiner wehrt. Rechtstaatlich unschön wird es aber, wenn ein rechtswidriger Zustand, der die Gesundheit von Millionen Bundesbürgern betrifft, in der Sache nicht verhandelt wird, weil niemand dagegen klagen darf: "Wo keine Klagebefugnis, da kein zulässiges Verfahren."

Gerdezu rechtsstaatlich perfide ist es, wenn die Politik genau dies zum Schutz der Autoindustrie plante, in diesem Fall die Vorgängerregierung, die im einschlägigen Gesetz eine Klagebefugnis für Umweltverbände für Produktzulassungen nicht aufgenommen hat – aus Angst vor Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Doch die ließ sich nicht abschrecken und klagte trotzdem gegen Bescheide des Kraftfahrtbundesamt (KBA), in denen die Behörde Software-Updates genehmigte, obwohl dort Abschalteinrichtungen programmiert waren. Sogenannte Thermofenster, die dazu führen, dass bei in Deutschland völlig üblichen Temperaturen die Abgasreinigung der Dieselfahrzeuge gedrosselt wird.

Nachdem die DUH zunächst gerichtlich zu hören bekam, sie sei nicht klagebefugt, hat nun – auf Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Schleswig – der Europäische Gerichtshof (EuGH) Rechtsschutz im Umweltrecht bei Produktzulassungen ermöglicht. Aus Unionsrecht in Verbindung mit Völkerrecht ergebe sich unmittelbar eine Klagebefugnis von Umweltverbänden, um auf die Einhaltung von Umweltrecht zu pochen. Ansonsten fehle jede Möglichkeit, Umweltrecht wirksam zu kontrollieren.

Wie reagiert Politik auf die reale Möglichkeit der Stillegung von Millionen Dieselautos? 

Rechtsstaatlich bitter – die Verfahren der DUH sind schon über fünf Jahre alt. Der Großen Koalition und Autoindustrie ist es gemeinsam gelungen, die Einhaltung von Recht und Gesundheitsschutz über Jahre zu verzögern. Und selbst jetzt ist noch kein Einlenken in Sicht.

Noch immer hält das KBA und das Verkehrsministerium – trotz entgegenstehender Urteile des EuGH – an der absurden Vorstellung fest, dass ein Abschalten der Abgasreinigung etwa bei 14 Grad rechtmäßig sein soll, um den Motor zu schützen, auch wenn die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten und die Luft verpestet wird. An der Treue zur Automobilindustrie hat sich durch den Ministerwechsel von CSU hin zur FDP bislang nichts geändert. Eine LTO-Anfrage an das Verkehrsministerium zu Konsequenzen nach dem EuGH-Urteil blieb unbeantwortet. Im Juli hieß es kontrafaktisch, das KBA habe sich schon "bisher bereits strikt" an der Rechtsprechung des EuGH zu Abschalteinrichtungen "ausgerichtet".

Dabei sollte schnell an die Konsequenzen gedacht werden, auch für die Dieselfahrer:innen. Nach dem EuGH-Urteil ist davon auszugehen, dass die DUH nun gerichtlich vor dem VG Schleswig Erfolg haben dürfte. In diesem Fall droht Millionen Dieselfahrzeugen die Stilllegung. Wie werden dann Verbraucher entschädigt? Wenn im Verkehrsministerium schon Rechtslage und Gesundheitsschutz nicht interessieren, könnte jedenfalls der Zorn der Dieselfahrer zum Handeln motivieren.

 

Einen ausführlichen Bericht zum EuGH-Urteil über die Klagebefugnis von Umweltverbänden bei Produktzulassungen finden Sie hier

Zitiervorschlag

EuGH-Urteil zur Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50111 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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